18.12.2024, 20:27
US-Diplomat Freeman: Deindustrialisierung Deutschlands ist das Resultat der Nord-Stream-Sprengung
16 Dez. 2024
Im Gespräch mit der Berliner Zeitung warnt der ehemalige US-Diplomat Charles W. Freeman vor einer weiteren Zuspitzung des Ukraine-Kriegs und einer direkten Konfrontation der Atommächte USA und China. Vor allem Europa und insbesondere Deutschland sieht er als große wirtschaftliche Verlierer der aktuellen geopolitischen Zuspitzung an.
Die Belegschaft von Thyssenkrupp Steel und Azubis protestieren bei einem Fackelmarsch durch den Landschaftspark Duisburg auf dem Weg zur Belegschaftsversammlung. Ein Zukunftspapier des Konzerns sieht einen weitreichenden Stellenabbau von 11.000 Arbeitsplätzen vor, 12.12.2024 (Symbolbild) - Quelle: © IMAGO/Christoph Hardt
Charles W. Freeman Jr. fädelte als hochrangiger Diplomat 1972 den China-Besuch von US-Präsident Richard Nixon ein. Bei der legendären Zusammenkunft mit Mao Zedong war er der Hauptübersetzer und bekleidete später verschiedene Ämter im US-Außen- und Verteidigungsministerium. Im Interview mit der Berliner Zeitung gibt er aufschlussreiche Aussagen über die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA, aber auch den Ukraine-Krieg und das Verhältnis zwischen Amerika und China.
Angesprochen auf die China-Politik der USA, kritisiert Freeman indirekt die Biden-Administration als strategielos: "Wir haben die Chinesen dazu angeregt, ihre Wissenschaft und Technik zu verbessern, Handelsbeziehungen mit dem Globalen Süden auszubauen, wir haben sie in die Arme der Russen getrieben und wir bringen sie dazu, Bündnisse im Nahen Osten zu schmieden, die den amerikanischen Einfluss in der Region zurückdrängen." Sanktionen, die auch der designierte US-Präsident Donald Trump angekündigt hat, würden letztendlich nur beiden Seiten schaden. Auch sollten sich die USA in der Taiwan-Frage ‒ die eine rein innerchinesische Angelegenheit ist ‒ zurückhalten, da auch dieser Konflikt das Potenzial hat, zu eskalieren. Die Chinesen werden sich vom Westen nie wieder unterjochen lassen: "Die Taiwan-Frage ist ein zentrales Element des chinesischen nationalen Bewusstseins. Sowohl die Revolution von 1917 als auch die 1949er-Revolution in China hatten als Hauptziel die Eliminierung von ausländischen Einflüssen. Es sollte das Ende für Chinas Demütigung durch imperialistische Mächte sein, die sich im Boxer-Aufstand gegen die Besatzer aus Deutschland, Russland, Japan, den USA, Frankreich, Großbritannien und Österreich-Ungarn auflehnten, die rund 20.000 Chinesen in Peking abgeschlachtet hatten."
Die generelle atomare Aufrüstung führender Staaten sieht Freeman kritisch, das "Schlafwandlerische" erinnert an den Vorabend des Ersten Weltkriegs:
"Die Gefahr eines Atomkriegs ist hoch, aber es werden keine Schritte unternommen, ihn zu verhindern. Die Abrüstungsabkommen zwischen den USA und Russland sind entweder ausgelaufen oder wurden gebrochen. Es werden keine neuen Beschränkungen für den Einsatz von Atomwaffen aufgelegt. Die verantwortlichen Politiker lassen uns in ein Desaster schlafwandeln."
Für eine Deeskalation des Ukraine-Krieges müssten sich Kiew und Moskau auf den Grenzverlauf einigen und den Minderheiten in der Ukraine das Recht eingeräumt werden, ihre eigene Sprache und Kultur ausleben zu dürfen.
Angesprochen auf die Rolle der USA bei der Sprengung der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream II, sagte Freeman deutlich: "Ich gehe davon aus, dass die USA Nord Stream gesprengt haben. Bis auf die Geschichten, die von verschiedenen Geheimdiensten in die Welt gesetzt werden, sehe ich keine plausible andere Erklärung." Er schlussfolgert daraus:
"Die Deindustrialisierung Deutschlands ist das Resultat und die USA haben bestens davon profitiert. Wir verkaufen Deutschland Gas, das vier- bis fünfmal teurer ist als russisches. Wir erhöhen die Abhängigkeit Europas von unserer Energieversorgung. Die großen Ölfirmen freut es. Ich persönlich halte es für eine desaströse Entwicklung."
Letztendlich spricht sich Freeman gegen eine weitere Eskalation des Krieges in der Ukraine aus und hält deutsche Taurus-Lieferungen an die Ukraine für keine gute Idee: "Ich denke nicht, dass es eine gute Idee ist, dem russischen Bären ins Auge zu stechen." Europa dürfe nicht vergesse, dass es im Gegensatz zu den USA keine festen physischen Grenzen vor allem mit Blick nach Osten hat. Rekurrierend auf einen großen Staatsmann schließt Freeman mit den Worten: "Der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck hatte bei seinem Besuch erklärt, dass Gott die USA gesegnet habe: mit höflichen Kanadiern im Norden, betrunkenen, fröhlichen Mexikanern im Süden und Fischen im Osten und Westen. Europa muss sich seiner geografischen Lage gewahr werden." Man darf gespannt sein, ob dies noch rechtzeitig passieren wird.
Quelle:
"Wenn Unrecht Gesetz wird,wird Rebellion Pflicht."
Der Klartexter
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