09.05.2024, 20:04
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 09.05.2024, 20:09 von Klartexter.)
Russland und der Westen gleichen die Weltuntergangsuhren ab
8 Mai 2024
Die von Russland angekündigte Militärübung zum Einsatz taktischer Nuklearwaffen hat den Zweck, den Westen vor einer weiteren Eskalation des Ukraine-Konflikts abzuhalten. Ein potenzieller Einmarsch westlicher Truppen in die Ukraine würde zu einem atomaren, nicht zu einem konventionellen Krieg führen.
Symbolbild - Quelle: Sputnik © Grigori Syssojew
Von Dawid Narmanija
"Der Atombombenabwurf beendete den Krieg und ich vermute, war unvermeidbar", sagte Japans Verteidigungsminister Fumio Kyūma im fernen Jahr 2007. Bezeichnenderweise wurde Herr Kyūma selbst 1940 in der Präfektur Nagasaki geboren. Er war keine fünf Jahre alt, als am 9. August 1945 in 60 Kilometer Entfernung von seinem Zuhause die Bombe "Fat Man" abgeworfen wurde.
Natürlich könnte die Meinung dieses hochgestellten Beamten für seine persönliche ausgegeben werden, zumal er sich selbst rechtfertigte: Er sei nur aus US-amerikanischer Sicht unvermeidbar gewesen. Doch Tokios Position in dieser Sache läuft auf ein einfaches "so hat es sich ergeben" hinaus, es sei nicht nötig, sich mit dem Alten zu befassen und nach Schuldigen zu suchen. Als wären die Bomben auf japanische Städte von sich aus abgefallen, und nicht von US-Amerikanern abgeworfen worden.
Die USA haben es selbstverständlich ebenfalls nicht eilig, Reue zu zeigen. Noch Truman antwortete auf die Sorgen Robert Oppenheimers, dass ihm und seinen Physikerkollegen "Blut an den Händen" kleben würde: "Machen Sie sich keine Sorgen, das lässt sich leicht mit Wasser abwaschen."
Leider zeigt die Geschichte an diesem Beispiel mit gnadenloser Überzeugungskraft, dass es keine Gräueltat gibt, die nicht mit geschickter PR-Arbeit übertüncht werden könnte.
Zum Glück ist von russischer Seite – bisher, wohlgemerkt – keine Rede von einer Wiederholung dieser Erfahrung. Der Kreml kündigte lediglich Militärübungen zum Einsatz taktischer Atomwaffen an. Übrigens würden heute sowohl "Little Boy" als auch "Fat Man", die auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden, zu ebendieser Kategorie zählen: Die Sprengkraft jeder dieser Bomben betrug etwa 20 Kilotonnen TNT.
Diese Ankündigung sollte als Reaktion auf Versuche westlicher Länder gewertet werden, eine regulierbare Eskalation der Ukraine-Krise im Besonderen und der Beziehungen zu Moskau im Allgemeinen auszuspielen. Und derlei Versuche gab es zur Genüge: Dazu zählen sowohl Emmanuel Macrons Behauptungen über eine mögliche Entsendung französischer Truppen dem ukrainischen Militär zu Hilfe, als auch David Camerons Äußerungen über die Zulässigkeit von Angriffen auf russisches Gebiet mit britischen Waffen; Ankündigungen des polnischen Präsidenten bezüglich einer möglichen Stationierung US-amerikanischer Atomwaffen auf polnischem Territorium, und sogar die jüngste Stationierung von Washingtons Mittelstreckenraketen auf den Philippinen. Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg trauten sich die USA, diese Waffen außerhalb der eigenen Grenzen zu stationieren. Freilich werden sie nicht bis nach Russland reichen, doch es gibt jeden Grund zu der Annahme, dass im Falle des Fehlens eines ernsthaften Gegengewichts in Europa oder Japan genug Interessenten Manilas Beispiel folgen würden.
Gerade damit erklärt sich der Wunsch des Kremls, für dieses Gegengewicht zu sorgen. In offen zugänglichen Quellen gibt es wenig Angaben zu Russlands taktischen Atomwaffen – Berichte darüber unterliegen keinen Abkommen, zu deren Erfüllung sich Moskau verpflichtet hätte. Sicher bekannt ist aber, dass sie vorrätig sind, und zwar in vielen Varianten: von Artilleriegranaten und Flugbomben bis hin zu Marschflugkörpern. Dieses "Pulver" wird gewiss trocken gehalten.
Bezeichnenderweise trug die Ankündigung der Militärübungen buchstäblich binnen weniger Stunden Früchte: Macron trat eilig mit der Erklärung an, dass Frankreich weder gegen Russland noch gegen Russen kämpfe, und sein Außenministerium begann, zu versichern, dass es keine französischen Truppen in der Ukraine gebe.
Die Politik war und bleibt die Kunst der Wahl. Diese besteht nicht nur in der Fähigkeit, die richtige Variante selbst zu wählen, sondern auch darin, den Opponenten vor das notwendige Dilemma zu stellen. Die USA und Europa vermuteten offenbar, dass sie zwischen einer garantierten Niederlage in der Ukraine und einem Versuch, das Blatt zu wenden, wählen müssten.
Doch zum Leidwesen des Westens steht er vor einer anderen Wahl. Von einem Krieg mit konventionellen Waffen gegen Russland kann keine Rede sein, "Freiwillige" müssen hier ausreichen. Deswegen wird ein vollwertiger Einmarsch ausländischer Truppen in die Ukraine zu einem Vorspiel ihrer Liquidierung mit Nuklearwaffen werden. Denn Russland wird im Falle einer Niederlage in der Ukraine viel mehr verlieren als der Westen. Gerade diese Position versucht Moskau zu vermitteln – damit sich niemand Illusionen macht.
Wenn vor einem Atomkrieg wenige Minuten verbleiben, gibt es schließlich immer noch die Möglichkeit, die Uhren abzugleichen. Möglicherweise ist es noch nicht zu spät, die Zeiger zurückzustellen.
Übersetzt aus dem . Zuerst erschienen am 7. Mai bei RIA Nowosti.
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Symbolbild - Quelle: Sputnik © RIA Nowosti
Von Irina Alksnis
In Europa geht es derzeit mysteriös zu.
Zwei Tage sind vergangen, seit der britische Botschafter (wie auch sein französischer Amtskollege) im russischen Außenministerium erscheinen musste, wo er eine – für diplomatische Verhältnisse – heftige Tracht Prügel bezogen hat.
Nach dem Treffen erklärte unser Außenministerium in einer offiziellen Erklärung, dass der britische Gesandte "gewarnt wurde, dass die Antwort auf ukrainische Angriffe mit britischen Waffen auf russischem Gebiet alle britischen Militäreinrichtungen und Ausrüstungen auf ukrainischem Gebiet und darüber hinaus sein könnten."
Auslöser für diese Demarche Moskaus war die jüngste Erklärung von Außenminister David Cameron, in der er den Einsatz von an Kiew gelieferten Waffen – insbesondere Langstrecken-Marschflugkörpern – für Angriffe auf russisches Hoheitsgebiet erlaubte. Es handelt sich dabei um die Erklärung, die Reuters zuerst am 2. Mai veröffentlichte, dann zurückzog, "um Details zu überprüfen", und dann ohne große Änderungen wieder veröffentlichte.
Der Grund für dieses Hin und Her liegt auf der Hand: Camerons Worte machen Großbritannien tatsächlich zu einer Konfliktpartei, und so sieht es auch Moskau. Aber offenbar haben sich die Falken in den Londoner Kabinetten gegenüber ihren vorsichtigeren Kollegen durchgesetzt, und die Erklärung des Ministers blieb in der Welt.
Seit mehr als zwei Jahren bewegt sich die westliche Politik im Ukraine-Konflikt auf dünnem Eis: Einerseits wird Kiew in vielfältiger Weise kräftig unterstützt, andererseits hält man sich offiziell aus dem Konflikt heraus, um Russland keinen Anlass zu Vergeltungsmaßnahmen zu geben. In den letzten Monaten hat sich die Situation zu ändern begonnen: Die Aussichtslosigkeit der Lage für die ukrainischen Streitkräfte an der Front drängt den Westen – in erster Linie natürlich Europa – zunehmend dazu, sich direkt in den Konflikt einzumischen. Die immer aggressivere Rhetorik der europäischen Führer spiegelt genau diesen Trendwechsel wider.
Das Raffinierte daran ist, dass in diesem Fall ein großer Abstand zwischen Worten und Taten besteht. Es ist eine Sache, sich wie Macron aufzublasen und zu versprechen, offiziell französische Truppen in die Ukraine zu entsenden, und eine ganz andere, dies auch tatsächlich zu tun. Bislang beschränkt sich alles auf Gerüchte über die Beteiligung französischer Söldner an den Kämpfen sowie Indizien, die darauf hindeuten. Macron selbst wählt seine Worte nach anfänglichem Eifer immer vorsichtiger. So versicherte er zum Beispiel zeitgleich mit der Einbestellung des französischen Botschafters in das Außenministerium in Moskau, dass sich sein Land nicht im Krieg mit Russland oder dem russischen Volk befinde.
Für die Briten ist die Situation jedoch komplizierter, da Cameron Kiew die Zustimmung zu Angriffen auf russisches Territorium mit offiziell von London übergebenen Waffen erteilt hat. Die üblichen Ausreden, dass die Söldner auf eigenes Risiko handeln und nichts mit dem Staat zu tun haben, greifen hier nicht. Alles in allem ist dies in der Tat ein sehr großer Schritt Großbritanniens hin zu einem offenen Krieg mit Russland.
Aber offenbar wurde ihnen das erst bewusst, als der Botschafter ins russische Außenministerium einbestellt wurde, und die darauf folgende Reaktion Moskaus hat die Briten und in der Folge das gesamte europäische Establishment schockiert.
Seit vielen Monaten – seit die öffentliche Tendenz des Westens, die Unterstützung für Kiew zu reduzieren, offensichtlich wurde – erklären Beamte des Westens in Windeseile, dass der Prozess fortgesetzt werden muss, weil Russland in der Ukraine nicht aufhören und unweigerlich weitergehen wird, sodass der größte Teil Europas von Moskaus militärischer Aggression bedroht sei.
Und nun hat der Westen endlich ein stichhaltiges Argument zur Unterstützung seiner Position erhalten: Moskau hat offen, direkt und ganz offiziell erklärt, dass es britische Militäreinrichtungen angreifen wird. Und ja, es wird sie nicht nur in der Ukraine, sondern auch jenseits ihrer Grenzen treffen. Und diese Erklärung erfolgte fast zeitgleich mit der Ankündigung Russlands, Übungen mit nicht-strategischen Atomwaffen durchzuführen.
Man könnte meinen, dass dies der Beweis für die russische Bedrohung ist, der an allen Ecken und Enden herausposaunt werden kann. Doch stattdessen herrscht Schweigen. Während die Medien weltweit noch über die Atomübungen berichteten, wirkte die Erklärung des russischen Außenministeriums, in der eine militärische Antwort auf Großbritannien auch außerhalb der Ukraine versprochen wurde, sowohl für Beamte als auch für die Medien ernüchternd. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels ist dieses Thema in der westlichen Informations- und Politiklandschaft praktisch nicht existent. Die Russlandhasser, die Moskau vor kurzem noch "Überraschungen" wie massive Raketen- und Drohnenangriffe und die Zerstörung der Krimbrücke für die Maifeiertage versprochen hatten, sind ebenfalls verstummt und ignorieren das Thema geflissentlich.
Wir sind es gewohnt, dass westliche Staatsmänner, Politiker und Journalisten keine Probleme mit Rhetorik haben. Zu jedem Zeitpunkt und zu jedem Thema haben sie ideologische und sprachliche Stempel parat, die zur aktuellen Agenda passen. Das Schweigen Londons und aller anderen westlichen Hauptstädte seit mehr als einem Tag zu einem so wichtigen Thema wie der direkten militärischen Drohung Russlands in Richtung Großbritannien spricht Bände über den Grad der Verdummung und Verwirrung, der dort derzeit herrscht.
Die Europäer werden das gesamte Weltbild in ihren Köpfen neu formatieren und erkennen müssen, dass der imaginäre russische Bär, den sie in den letzten Jahren in ihrer Fantasie erfolgreich besiegt haben, in der Realität bissiger ist, als ihnen lieb ist. Mit dem realen "russischen Bären" will es niemand von ihnen aufnehmen. Zumal das heutige Datum uns daran erinnert, wie es beim letzten Mal endete.
Übersetzt aus dem . Der Originalartikel ist am 8. Mai 2024 auf ria.ru erschienen.
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"Wenn Unrecht Gesetz wird,wird Rebellion Pflicht."
Der Klartexter
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