30.05.2024, 19:15
Oberst a. D. zur Ukraine: "Ein Waffenstillstand wird dringlich. Die Alternativen sind Wunschdenken"
30 Mai 2024
Oberst a. D. Ralph Thiele schätzt die Lage der Ukraine als prekär ein. Kiew kann ihm zufolge auch mit westlicher Hilfe keinen Sieg erringen. Es braucht einen Waffenstillstand, fordert er. Beim Entsenden von NATO-Truppen drohte eine Eskalation in Richtung Dritter Weltkrieg, ist seine Warnung.
Teile eines Patriot-Systems - Quelle: © Bernd Wüstneck
Die Antworten deutscher Politiker und deutscher Militärexperten auf die Frage, was die Ukraine braucht, sind diametral gesetzt. Die Antwort der Mehrzahl unter den deutschen Politikern ist: mehr Waffen, mehr Munition, mehr Flugabwehrsysteme. Die Antwort, die immer mehr Militärexperten geben, ist: Die Ukraine braucht einen Waffenstillstand und Verhandlungen.
Der Unterschied liegt im unterschiedlichen Grad der Expertise, macht ein mit Oberst a. D. Ralph Thiele deutlich.
Der Glaube, die Ukraine könnte mit Waffenlieferungen in den Stand versetzt werden, einen strategischen Sieg über Russland zu erzielen, ist unter deutschen Politikern, aber auch im deutschen Mainstream eine gern gehegte Illusion, von der Abschied zu nehmen man noch nicht bereit ist. Dabei sind die Fakten eindeutig.
"Angesichts einer zunehmend porösen ukrainischen Front und keiner rosigen Unterstützungsperspektiven des Westens – der braucht bis in die Jahre 2027/2028, bis die rüstungsindustrielle Basis die 'Zeitenwende' umsetzen kann – ist es eher Zeit für Waffenstillstandsverhandlungen als für eine Ausweitung und Intensivierung der Kämpfe."
Thiele belegt seine Forderung nach Verhandlungen auch mit dem Mangel an verfügbaren Patriot-Systemen. Die Ukraine benötige insgesamt 25 Patriot-Systeme zum Schutz des Luftraums, besitzt aber nur drei. Die Anforderungen der Ukraine übersteigen schlicht die Menge, die von der Herstellerfirma in einem angemessenen Zeitrahmen überhaupt produziert werden kann. Gleiches gilt für die für den Betrieb benötigte Munition.
"Während die US-Industrie auf absehbare Zeit nicht in der Lage ist, die teuren Patriot-Abfangraketen in großen Mengen zu produzieren, beschafft Russland am laufenden Band Shahed-Drohnen, produziert Iskander- oder Kinschal-Raketen und stattet seine Flugzeuge mit preiswert aufgerüsteten Gleitbomben aus der Sowjet-Ära aus. Auch die europäischen Verbündeten können die Lücke der Ukrainer nicht schließen."
Das Entsenden von NATO-Militärs in die Ukraine würde zudem den Konflikt weiter in Richtung Dritter Weltkrieg eskalieren. Die entsendenden Länder wären Kriegspartei und würden absehbar Ziel russischer Angriffe, meint Thiele.
Es steht allerdings zu befürchten, dass die deutsche Politik gegenüber all diesen Fakten resistent bleibt und weiterhin auf eine Verlängerung des Krieges drängt. Für die Ukraine hat die deutsche Realitätsverweigerung weitreichende, bittere Konsequenzen.
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Pistorius sagt Ukraine neues 500-Millionen-Waffenpaket zu
30 Mai 2024
Verteidigungsminister Boris Pistorius hat der Ukraine ein neues Waffenpaket im Wert von 500 Millionen Euro zugesagt. In dem Paket seien Flugkörper, Drohnen, Panzer, Munition und dringend benötigte Ersatzteile enthalten.
Quelle: © Jörg Blank/dpa
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat ein neues deutsches Waffenpaket zur Unterstützung der Ukraine im Umfang von einer halben Milliarde Euro angekündigt. Man werde die Ukraine "in diesem Abwehrkampf weiterhin unterstützen", sagte der SPD-Politiker am Donnerstagabend bei einem Treffen mit seinem Kollegen Rustem Umerow in der südwestukrainischen Hafenstadt Odessa. Der Besuch war aus Sicherheitsgründen bis zum Abend geheim gehalten worden. Einige Materialien stünden schon unmittelbar vor der Auslieferung, ergänzte Pistorius.
In dem Paket sei eine hohe Zahl von Flugkörpern für Flugabwehrsysteme vom Typ IRIS-T SLM mit mittlerer Reichweite und eine kleinere Zahl von SLS-Flugkörpern mit kürzeren Reichweiten enthalten, sagte Pistorius. Zudem gehe es um Drohnen zur Aufklärung und zum Kampf im Schwarzen Meer, um dringend benötigte Ersatzteile, wie etwa Ersatzrohre für die von Deutschland gelieferten Artilleriesysteme, sowie um Austauschmotoren für Kampfpanzer vom Typ Leopard. Zur Verfügung gestellt werden auch eine Million Schuss Munition für Handwaffen. Vom Jahr 2025 an solle die Auslieferung von 18 neuen Radhaubitzen der neuesten Bauart folgen, ergänzte der deutsche Verteidigungsminister.
Die Bundesrepublik werde laut Pistorius auch Industrieausbildungskurse für ukrainische Techniker finanzieren. Ferner seien in dem Paket Mittel für störungssichere Satellitenkommunikation enthalten. Aus den bisherigen Zusagen würden noch in diesem Jahr weitere Kampfpanzer vom Typ Leopard A1, aber auch vom Typ Leopard II A4 aus Spanien geliefert. Aus dem Mittelmeerland würden 19 Panzer der Ukraine zur Verfügung gestellt, an deren Wiederherstellung, Wartung und Reparatur sich Deutschland beteiligen werde – bei jedem Panzer mit einer Million Euro. Außerdem werde Deutschland weitere Schützenpanzer vom Typ Marder, gepanzerte Gefechtsfahrzeuge, Flugabwehrpanzer sowie Ausrüstung zur Führungsfähigkeit im elektronischen Kampf liefern.
Pistorius sagte, er zähle die Details auch deshalb auf, um "zu unterstreichen, dass wir nicht nur aktuell gerade das liefern, was verfügbar ist". Man habe vielmehr besonderen Wert auf "Nachhaltigkeit" gelegt, indem man auch Bestellungen auf den Weg gebracht habe, die erst in den nächsten Jahren Realität würden. Dies geschehe deswegen, "weil wir davon ausgehen, dass es wichtig ist, jetzt vorsorglich die Weichen zu stellen dafür, dass dieser Krieg noch länger dauert und wir weiter unterstützen wollen und werden".
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"Wenn Unrecht Gesetz wird,wird Rebellion Pflicht."
Der Klartexter
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