Vor 2 Stunden
Ampel: Nichts im Griff, auf dem sinkenden deutschen Schiff
17. November 2024
Finanzminister Christian Lindner (FDP), Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)
Mit der Vertrauensfrage des noch amtierenden Kanzlers und den daran anschließenden Neuwahlen wird sich die realpolitische Tragödie dieses Landes nicht lösen. Die hängt nicht an einer einzelnen deutschen Regierung, sondern ist grundlegend.
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„Jeder sieht hier etwas enden,/ Jeder sieht sich hier was wenden/ Keiner sieht, was hier beginnt.“ So heißt es in dem Gedicht „Für Berlin“, das Gottfried Benn 1948 verfaßte. Es braucht nicht allzuviel Phantasie und Eselsbrücken, um einen Gegenwartsbezug herzustellen. Im Auseinanderbrechen der Ampel-Regierungskoalition steckt mehr als der Verschleiß einer politischen Partnerschaft.
In dieser Regierung hatten sich Unfähigkeit und Inkompetenz mit ideologischem Fanatismus und unbedingtem Herrschaftswillen verbunden. Sie hatte ein regelrechtes Zerstörungswerk in Gang gesetzt. Rot und Grün, unterstützt von Gelb, haben Krieg gegen die Wirklichkeit, gegen den gesunden Menschenverstand und gegen alle geführt, die ihre Verblendung nicht teilen wollten. Darüber ist es zu internen Widersprüchen gekommen, die sich am Ende nicht mehr auflösen ließen. Diese Regierung war radikal im Wortsinn, denn sie hat die Axt an die Wurzeln unserer Lebenswelt gelegt.
Zum einen auf der privatesten, intimsten Ebene. Jeder darf nun einmal im Jahr formal sein Geschlecht wechseln. Mit einem individuellen Sprechakt darf er nicht nur eine neue Wirklichkeit stiften, er kann andere dazu zwingen, sie sogar rückwirkend anzuerkennen und die Vergangenheit zu löschen. Das Verbot, die objektive Tatsache des Geburtsgeschlechts zu offenbaren, weil sie der subjektiven Eigenwahrnehmung – die sich im nächsten Jahr schon wieder ändern kann – widerspricht, hat eine orwellsche Dimension.
Bestens funktionieren hingegen die Spitzelsysteme
und ein aufdringliches Angebot an medizinischen Maßnahmen setzen vor allem junge Menschen, die ihrer selbst nicht sicher sind, unter einen Bekenntnis-, Veränderungs- und Optimierungsdruck. Es handelt sich um einen Mikro-Totalitarismus, der auf die Erzeugung fluider Wesen, die neueste Variante des berüchtigten Neuen Menschen, abzielt.
Auf der Makro-Ebene ist es die Klimareligion, aus der ein umfassendes Programm für den Umbau, für die „Transformation“ der Gesellschaft abgeleitet wird. Wer eben noch glaubte, sein Haus, seine Wohnung, sei seine sichere Burg und Altersvorsorge, kann durch das Heizungsgesetz zum Schuldner werden, weil er die Wärmezufuhr umstellen muß.
Zur Bilanz dieser Regierung gehören weiterhin: die beginnende Deindustrialisierung, Zerstörung der Energiesicherheit, Vernichtung des Mittelstands, die zerbröselnde Infrastruktur, die ungebremste Zuwanderung samt Messer- und Machetenkultur, ein Bildungssystem, das missionarische Halbgebildete und anspruchsberechtigte Idioten entläßt. Was hingegen bestens funktioniert, sind die staatlich geförderten Überwachungs-, Spitzel-, und Sanktionspraktiken, die den Bürger dahin bringen sollen, sich nicht nur gesetzes-, sondern auch regierungstreu zu verhalten.
Ampel setzt die Merkel-Jahre fort
Der Auftritt von Olaf Scholz im Ambiente des Kanzleramtes war eine Herabwürdigung, eine Delegitimierung des Staates durch Mißbrauch seiner Symbole und repräsentativen Örtlichkeiten. Da sprach kein Staatsmann, der von Sorge um das Land erfüllt ist, vielmehr ein pöbelnder Kleingeist ohne Stil und Manieren, der seinem entlassenen Minister eine Ladung Dreck hinterherwarf. „So. Doof“, sollen die Worte gelautet haben, mit denen er die letzte Koalitionsrunde beendete. Was für Leute regieren uns eigentlich?
Kein einziger der amtierenden und ehemaligen Minister bestünde einen echten Tauglichkeitstest. Auch nicht der bübchenhafte Finanzminister, der nun, weil er zu später Stunde dem Irrsinn widersprochen hat, als tragischer Held und letzter Hüter bürgerlicher Tugenden in der Politik gefeiert wird, der er nicht ist. Mit der Vertrauensfrage und Neuwahlen wäre die Tragödie keineswegs zu Ende. Denn was folgte dann?
Eine Regierung unter Führung der Union vermutlich, entweder gemeinsam mit den roten, den grünen oder – vielleicht – gelben Bankrotteuren. Vor allem aber sind CDU/CSU die Mitverursacher der Lage, aus der sie das Land jetzt zu erlösen versprechen. Die Ampel-Koalition hat ja nur fortgesetzt und intensiviert, was unter Merkel 16 Jahre lang als Regierungspolitik betrieben wurde.
Was endet, was verendet hier?
Und auch Merkel war keine eigenständige Akteurin, sie war eher das Medium und der Akkumulator destruktiver Energien, die älteren Ursprungs sind. Eine Unionsregierung würde die Situation an anderer Stelle wohl noch verschlimmern, indem sie eine der wenigen vernünftigen Entscheidungen des Kanzlers – die Weigerung, Taurus-Raketen an die Ukraine zu liefern – kippen würde.
Mit Gottfried Benn gefragt: Was endet, was verendet hier? Die Antwort lautet: Die Idee von einer „Berliner Republik“, die fähig ist, die inneren und äußeren Lebensfragen des wiedervereinten deutschen Volkes kompetent zu regeln, sie stirbt einen schweren Tod. Mit dem Umzug der Regierung, des Bundestags und des Bundesrats von Bonn nach Berlin waren ja große Erwartungen verknüpft gewesen.
Es hatte sich nach 1990 schnell gezeigt, daß das neue Deutschland mehr sein mußte als die Ostausdehnung der alten Bundesrepublik. Diese war durch die Teilung und alliierte Vorbehalte von den großen Entscheidungen in der Weltpolitik dispensiert gewesen.
Die Westpolitik hoffte auf eine neue Kultur
Im Golfkrieg 1991 und dann im Balkankrieg zeigte sich, daß die alten Reflexe und Mechanismen die Wirklichkeit verfehlten. In einem metropolitanen Flair, so die Annahme, würde sich eine weltläufige politische Klasse herausbilden; der Austausch und die Konfrontation mit Wissenschaft, Kultur, Medien würde intellektuelle Funken schlagen und die Perspektiven erweitern.
Nichts davon ist eingetroffen. Politisch, personell, intellektuell, kulturell, mittlerweile auch ökonomisch, ist das Land ausgebrannt. Parallel dazu haben wir es mit einer Re-Ideologisierung zu tun, die nicht gerade an das Dritte Reich, .
Wie konnte es dazu kommen? Der liberale Politikwissenschaftler Wilhelm Hennis (1923–2012) – im Gegensatz zu den meisten, die diese inflationierte Berufsbezeichnung heute beanspruchen, ein hochgebildeter, historisch und juristisch beschlagener Gelehrter – veröffentlichte 1997 den Aufsatz „Totenrede des Perikles auf ein blühendes Land“.
Schröder trug nichts Substanzielles zum Wiederaufbau bei
Der Titel spielt auf die Rede an, in der der berühmte griechische Staatsmann die Vorzüge des freien Athens zu Sparta hervorhob. Hennis’ Kritik richtete sich direkt gegen Helmut Kohl, den „Kanzler der Einheit“, der während seiner langjährigen Regentschaft die „politische Hierarchie- und Ämterordnung“ durch Kumpanei und Patronage ersetzt hatte.
Der eilige Beitritt der DDR über Artikel 23 des Grundgesetzes, so Hennis, sei „pragmatisch geboten“ und der Einigungsvertrag eine „administrative Meisterleistung“ gewesen, doch „politisch förderte er falsches Bewußtsein“. Man hatte unterlassen darüber nachzudenken, wie in diesem neuen Deutschland „seine Handlungsfähigkeit, die Klarheit seiner nationalen Ziele und Interessen definitiv gewahrt bleiben“. Nur so könne man – wie es im Grundgesetz heißt – „als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt“ dienen. Nur wer sich seiner selbst sicher ist, kann ein Größeres, einen größeren Verbund, in den er eingehen will, gestalten.
Die Bestandsaufnahme unterblieb. Kohls Nachfolger Gerhard Schröder verwendete oft, gern und in verschiedenen Variationen das Wort „Selbstbewußtsein“. Ein „selbstbewußtes“ Deutschland sollte den ihm angemessenen Part in der Welt spielen. Nur konnte Schröder seiner Rhetorik keinen angemessenen Inhalt geben. Er verordnete dem Land einige nützliche Reformen, doch zur psychologischen und geistig-moralischen Wiederauf- und Neuausrichtung trug er nichts Substantielles bei.
Die Justiz urteilt gegen den Amtseid
Als am 2. Oktober 2000 – unmittelbar vor dem zehnten Jahrestag der Wiedervereinigung – arabische Täter einen Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge verübten, rief er, noch bevor die Tat aufgeklärt war, den „Aufstand der Anständigen“ aus – zum „Kampf gegen Rechts“. Doch dieser „Kampf“ ist nichts anderes als die Sabotage des deutschen Selbstbewußtseins und Selbstinteresses – eine Autoimmunkrankheit, die aus der Bonner bruchlos in die wiedervereinte Republik übergegangen ist.
24 Jahre danach wird der Satz „Alles für Deutschland“ von einer politisierten Justiz als Nazi-Spruch kriminalisiert. Dabei enthält er nur die rhetorische Steigerung des Amtseides, mit dem der gewählte Bundespräsident bekundet, daß er „(s)eine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden“ werde. Die staatlichen Institutionen, so scheint es, sind angetreten, die nationale Restsubstanz, die Hitler übriggelassen hat, zu zerstören.
Diesen Mechanismus macht sich ein bestimmter Typus zunutze, um Herrschaftsrollen einzunehmen. So wurde die Identitätspolitikerin Ferda Ataman, die Deutsche mit dem höhnischen Wort „Kartoffel“ bedachte, von der Ampel-Regierung zur Antidiskriminierungsbeauftragten des Bundes ernannt. Aus Steuergeldern wird sie dafür entlohnt, daß sie für Ausländer und Migranten einen permanenten Opferstatus und damit deren Anrecht auf positive Diskriminierung behauptet, für deren Kosten natürlich die Kartoffel-Deutschen aufzukommen haben.
Die Deformierung durch Apparatschiks ist vorgezeichnet
Damit stellt die Frage nach der Elitenbildung. Wer heute in die Politik geht, betrachtet diese nicht als Auftrag und Dienst, sondern als Möglichkeit des sozialen Aufstiegs. Der erfolgt exklusiv über die Parteien. Um aussichtsreich zu sein, muß die Karriere frühestmöglich beginnen. Viele Politiker verfügen daher über keine belastbaren Ausbildungs- und Arbeitsbiographien. Ihre Deformierung zu beschränkten und selbstsüchtigen Apparatschiks ist vorgezeichnet.
Ein klassisches Beispiel ist die junge Bundestagsabgeordnete der Grünen, die mit Bismarck spontan einen Hering in Essiglake verbindet. Dieses Personal bildet das Reservoir, aus dem die Kopfjäger globalistischer Netzwerke sich kostengünstig bedienen. Eine Einladung zu den „Young Global Leaders“ wirkt wie ein Ritterschlag. Es winkt die Erhebung in den Adelsstand der universalistischen Global Governance, die sich die Beplanung und Neuordnung der Welt vorgenommen hat.
Deutschland ist zum Experimentierfeld der „Großen Transformation“ geraten, „einer globalen, von Finanz- und Tech-Oligarchen gemeinsam mit NGOs und linksökologischen Lobbygruppen ins Werk gesetzten Ordnungspolitik“, wie Frank Böckelmann kürzlich in der Zeitschrift Tumult schrieb. Es gibt sie auch in anderen Ländern, aber nirgendwo wird so konsequent gegen das Eigeninteresse des Staatsvolks gehandelt wie hier.
Aus Wissenschaft und Kultur kommen keine Impulse
Die Grünen als genuin bundesdeutsche Partei sind dazu in besonderer Weise geeignet, doch längst hat der grüne Ungeist auch die anderen Parteien ergriffen, die über tiefere historische Wurzeln verfügen. Als im Herbst 2020 in der Münchner Staatskanzlei der Kabinettssaal renoviert und die florentinische Seidentapete ersetzt wurde, twitterte Markus Söder, der damals die Kanzlerkandidatur für die Union anstrebte: „Natur statt Seide. Rund 3.000 Pflanzen lassen die Staatskanzlei ergrünen. Das ist auch ein Statement.“
Das war es zweifelsohne. Was immer der Parteienstaat heute abbildet, es handelt sich nicht um die Interessen deutscher Bürger. Ein Witzbold plazierte im Netz den Reim: „Man kann nicht die Parteien loben, wenn in Parteien Laien toben.“ Allerdings: Die Laien sind oft auch gewinnorientierte Egomanen, Narzißten und sogar Psychopathen.
Nochmals mit Benn gefragt: Was wendet sich? Und was beginnt, nachdem die Demokratiekulissen gefallen sind? Die Bundesrepublik ist hirntot und eine Besserung von innen unwahrscheinlich. Auch Wissenschaft und Kultur senden keine Impulse aus. Das wahrscheinlichste Szenario für die Zukunft ist der totale Überwachungs- und Kontrollstaat, in dem das Bargeld abgeschafft ist und die persönlichen Lebenschancen sich nach den Sozial- und Klimapunkten bemessen, die der Staat dem Einzelnen zuteilt.
Trump könnte den Gorbatschow spielen
Aber vielleicht gibt es noch eine Vernunft in der Geschichte, die mit List eine gegenteilige Wirkung entfaltet. Die Koinzidenz der Trump-Wahl mit dem Ende der Ampel war zufällig, aber auch symbolisch und vielsagend. Die Bundesrepublik war stets ein Satellit der USA; das war, realpolitisch betrachtet, ihr natürlicher Platz, der ihr lange Zeit Nutzen einbrachte. Das Übel beginnt erst dort, wo sie auch als moralischer Fixstern begriffen wird, denn das macht es unmöglich, die eigene Situation zu objektivieren und geopolitisch einzuordnen. Die Fixierung aber galt und gilt dem woken, dem universalistischen Amerika, das man zuletzt in der Heiligen Kamala verkörpert sah – und das nun mit ihr abserviert wurde.
Künftig wird ein Präsident regieren, der statt Universalismus „America first“ propagiert. Donald Trump ist ein Partikularist und pragmatischer Populist, als Charakter wohl nicht sympathisch, aber mit gesundem Menschenverstand ausgestattet. Jedenfalls sind Mann und Frau für ihn natürliche Gegebenheiten und keine Sprechakte und sozialen Konstrukte.
Er hat durchgreifende Maßnahmen angekündigt, um die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch woke Akteure zu beenden. Er könnte in der Bundesrepublik ein ähnliche Wirkung auslösen wie in der DDR einst Gorbatschow, der in der Absicht, die hegemoniale Position der Sowjetunion zu befestigen, seinen Satelliten unverhoffte Freiräume eröffnete und sie damit gleichsam zwang, über die eigene Rolle und Verfaßtheit neu nachzudenken.
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"Wenn Unrecht Gesetz wird,wird Rebellion Pflicht."
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