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Compact, das Verbot und die Geschichte


Grenzspielchen: Alle gegen Sellner. Wieder einmal.
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Grenzspielchen: Alle gegen Sellner. Wieder einmal.



30. Januar 2024

Martin Sellner hat Montagabend trotz des von den Behörden verhängten Einreiseverbots in Passau bundesdeutschen Boden betreten.

Das ist die vorläufige, von Sellner selbst gekonnt provozierte Kulmination der Farce, die seit einigen Tagen durch die Medien spukt.

Grundlage für das Verbot soll Paragraph 6 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern sein. Einschränkungen sind möglich, wenn die Person ein “Verhalten” erkennen läßt, “das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt.” Es muß jedoch “eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.”

Das zu beweisen ist allerdings nicht so einfach, und Sellner, der lediglich ein “Meinungsdelikt” begangen hat, hat bereits legale Schritte eingeleitet, um dagegen vorzugehen.

Zwar wartete an der Grenze tatsächlich die Polizei auf ihn und seinen Kompagnon Friedrich Langberg. Sellner hatte seine “Flucht nach Deutschland” in den sozialen Medien detailliert angekündigt. Das Café, das er zu besuchen plante, schloß ob dieser “Schreckensnachricht” (sic) sofort seine Pforten und positionierte sich hastig “gegen Rechts” (was ich verstehen kann, die Betreiber wollen wohl nicht riskieren, daß ihnen am nächsten Tag die Antifa die Scheiben einschlägt).

Nach einer eingehenden Kontrolle (hier ist Martins Bericht) wurde er schließlich durchgelassen, vermutlich in der Annahme, daß er Deutschland nur einen kurzen Besuch abstatten wollte. Stutzig sollen die Polizisten geworden sein, als sie in seiner Brusttasche eine Zahnbürste entdeckten, was zumindest auf das Vorhaben mindestens einer Übernachtung schließen läßt. Wäre ihm das beinahe zum Verhängnis geworden, hätte ihn die Polizei “deportiert”, hätte sie Anlaß gehabt, eine längere Aufenthaltsabsicht zu vermuten?

Tatsächlich sind einige Fragen immer noch offen. Hat das Einreiseverbot eine ausreichende rechtliche Grundlage? Ist es tatsächlich nur “Theaterdonner”, wie Sellner mutmaßt? Und wenn ja, warum wurde es in Szene gesetzt?

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Was die Optik nach außen angeht, so konnten die deutschen Behörden das Spiel nur verlieren. Vielleicht intendierte man einen Schenkelklopfer à la “Der Möchtegern-Ausgrenzer wird nun selber ausgegrenzt!”, aber der Schuß war geradezu dazu verdammt, nach hinten loszugehen.

Eine Autorin der NZZ kommentierte:

Besser hätte es für den Remigrationsaktivisten nicht laufen können: Seine Bekanntheit steigt, er hat die Lacher auf seiner Seite und macht zugleich Werbung für sein neues Buch – alles, was die «Ampel» nicht wollte.

An diesem Absatz ist am lustigsten der stilistisch etwas ungeschickt hineingezwängte Einschub, was man auf gar keinen Fall “vergessen” dürfe:

Höchst entzückt entfalteten die User von X (früher Twitter) ihre volle Kreativität in Form von Memes, «#Sellner» trendete schon seit dem Morgen, intelligente und elegante Schurken werden nun einmal gemocht, und im Falle Sellner – nicht vergessen, er ist ein Rechtsextremist der übelsten Sorte, der völkische und damit verfassungsfeindliche Positionen vertritt – ergoss sich ganztags Häme über die Behörden wegen ihrer Dummheit. Haben sie das etwa nicht kommen sehen? Der Rechtsextremist ist jetzt ein Meme geworden. Er kann nur noch gewinnen.

Nicht alle, mit denen ich über das jüngste Husarenstück Sellners sprach, waren gleichermaßen amüsiert. Eine angehende Juristin zeigte sich eher beunruhigt über die Reaktion des deutschen Staates, dies allerdings, noch bevor klar wurde, daß wir es zumindest diesmal nur mit einem Kasperltheater zu tun hatten.

Wir wissen zwar schon lange, daß wir in einer zunehmend absurden “Clown-Welt” leben, gemäß dem beliebten und äußerst ergiebigen rechten Mem, aber wir wissen auch, daß es sich gleichsam um Clowns mit Messern handelt, und die Messer sollte man ernst nehmen.

Die Hysterie, die die politisch-mediale Klasse in den letzten Wochen zu inszenieren versuchte, hatte zugleich komische und beängstigende Züge (so auch die phantasievolle Bearbeitung der “Protokolle der Weisen von Potsdam” durch das Berliner Ensemble).

Sellner wurde die Rolle des Krokodils zugeteilt, mit dessen Hilfe man hofft, die komplette AfD zu dämonisieren und landesweit die Furcht vor dem “Faschismus” zu wecken, so als stünde tatsächlich die “Deportation von Millionen Menschen” unmittelbar bevor.

Die Komik für uns, die wir ihn persönlich kennen und wissen, was er tatsächlich für Positionen vertritt, liegt vor allem in der Diskrepanz zwischen ihm und dem medial erzeugten Doppelgänger “Martin Sellner”, dem sogenannten “Rechtsextremisten”, der mit seinem gleichnamigen Vorbild wenig bis gar nichts zu tun hat.

Da er von sämtlichen öffentlichen Plattformen mit Ausnahme von Telegram und anderen, eher obskuren Kanälen verbannt ist, bekommt er keine Chance, sich selbst zu erklären, und es ist klar im Interesse der Medienmacher, den “wirklichen” Sellner und seine Argumente vor der Öffentlichkeit abzuschirmen, damit sie die (nützliche bzw. systempsychologisch erforderliche) Pappfigur des “falschen” Sellner aufrechterhalten können.

Als “Running Gag” erscheint uns ihre Praxis, krampfhaft “untypische” Bilder von ihm zu verwenden, in denen er finster, verbissen oder sauertöpfisch dreinblickt, was für die verantwortlichen Redakteure wahrscheinlich jedes Mal einen erheblichen Suchaufwand bedeutet. Martin ist von Natur aus ein “happy warrior”, der Charme, Intelligenz und Humor versprüht und noch dazu äußerst fotogen ist. Alle Versuche, diese Ausstrahlung einzudämmen, erscheinen von unserer Seite aus auf belustigende Weise plump manipulativ. Sie karikieren und erledigen sich quasi von selber.

[Bild: t-online.jpg.webp]

Andererseits hat es doch etwas Gruseliges, wie gut der mediale Apparat zur Produktion von propagandistisch-politisch erwünschten Alternativ- und Parallel-Wirklichkeiten funktioniert, wie hartnäckig sich seine “Narrative” in den Köpfen und der Sprache jener festsetzen, die ihrer bedürfen und sie ruchlos benutzen.

Und gruselig ist am Ende auch die inzwischen doch recht unverhohlene Willkür, mit der der Staat mit seinen Oppositionellen und Dissidenten umgeht. Es ist nicht das erste Mal, daß gegen Sellner mit unlauteren Mitteln vorgegangen wird (erinnern wir uns an das annus horribilis 2019), und er ist beileibe nicht das einzige Beispiel. Auch die gezielte Brandmarkung des IfS als “gesichert rechtsextrem” gehört dazu.

Die Ankündigung des Einreiseverbots, das tatsächliche Auftauchen der Polizei an der Grenze erzeugte (zumindest auf unserer Seite – ich weiß nicht, wie die Normalos darauf reagieren oder inwiefern sie es überhaupt registrieren) einen Aha-Effekt: Sobald es darum geht, Kritiker der durchlässigen Grenzen und der Einwanderungspolitik zu drangsalieren, kann der Staat plötzlich wieder Muskeln zeigen.

Er nennt sich dann selbst “wehrhafte Demokratie”. Seine Kritiker und Oppositionellen sind die einzigen, denen gegenüber er “Wehrhaftigkeit” zu zeigen für nötig hält. Wenn hundertausende junge Männer aus fernen Ländern vor seiner Tür stehen und Einlaß begehren, wenn Islamisten, potentielle Terroristen und andere subversive Elemente mit Agenda einreisen wollen, dann fallen seinen Vertretern stets tausend moralische, humanitäre und juristische Gründe ein, warum er in diesen Fällen nicht dichtmachen (oder auch abschieben) kann oder darf.

Aber wenn es sich darum handelt, sich gegen all jene zu wenden, die ihn für diese Politik der offenen Grenzen kritisieren, scheint er es mit der Rechtsstaatlichkeit nicht mehr so genau zu nehmen.

Die Mischung aus beidem, dem Kasperltheater und der “anarcho-tyrannischen” Willkür, ist auch auf anderen Gebieten üblich geworden. Am deutlichsten während der sogenannten “Pandemie”: Das Personal, das die Viruseindämmungs-“Maßnahmen” gegen große Teile der Bevölkerung durchsetzen wollte, insbesondere die Leib, Leben und Menschenwürde verletzende “Impfpflicht”, war (und ist) eine durchaus lächerliche und mittelmäßige Truppe. Und dennoch verfügte sie über wirksame Apparate, um ihren Willen (weitgehend) durchzusetzen und Millionen zu terrorisieren.

Der Rummel um Sellner wäre nicht möglich ohne eine gewisse paradoxe Situation, in der sich die Rechte in Deutschland und Österreich befindet. In einem gewissen Sinne bedarf das System der Gestalt des “Rechtsextremen” (bzw. des “Nazis”), um sich zu rechtfertigen und einen inneren Feind zu kreieren, der auch in Krisenzeiten der Ablenkung und der Wiederherstellung einer Einheitsfront dient.

Das hat mit den historischen und psychologischen Tiefenschichten des bundesdeutschen (und in etwas geringerem Maße auch österreichischen) staatlichen Selbstverständnisses zu tun, das hartnäckig einem bestimmten Bild von der NS-Zeit verhaftet ist. Dieses dient als eine Art ständige Kompaßnadel oder als ein fixes Deutungsraster, mit dem die Wirklichkeit beurteilt wird und aus dem bestimmte Prämissen abgeleitet werden.

Die zugrunde liegenden Komplexe können sehr leicht “getriggert” werden, und ich für meinen Teil bin überzeugt, daß dahinter nicht nur politische Opportunität liegt. Gewiß wird “Martin Sellner” gezielt als Buhmann benutzt, um Hysterie zu erzeugen. Aber ein großer Teil der Hysterie ist auch echt, da wir in einem Land leben, in dem die Realitätsverleugnung einen hochneurotischen Grad erreicht hat.

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Das zeigt sich besonders deutlich in den Versuchen, die Sprache zu kontrollieren, um bestimmte Dinge unsagbar und undenkbar zu machen. Ein schlagendes Beispiel fand ich in dieser “Strategiebesprechung gegen Rechts beim Spiegel” (17. 1. 2024), scharfsinnig kommentiert (und dadurch erträglich gemacht) von Feroz Khan.

In diesem Knirschfest kommt ein sächsischer Ex-AfD-Politiker namens Ivo Teichmann zu Wort, der sich der herrschenden Regierung nun als eine Art Coach andient, wie man die böse Partei in den Griff kriegen und ihre Wähler zurückgewinnen könnte. Restlos geläutert scheint er aber doch nicht zu sein, denn an einer Stelle verplappert er sich:

Teichmann: … daß man über Abwanderung redet, das ist völlig legitim, aber welche Pläne da im Detail besprochen wurden…

Woraufhin ihm Ann-Katrin Müller sprachpolizeilich dazwischenfährt:

Müller: Jetzt sagen Sie auch schon “Abwanderung”!

Teichmann: Also.. nee, nee, die is, äh… nee, nee, “Abwanderung”, sorry, was hab ich gesagt? Hab ich falschen…

Müller: “Abwanderung” haben Sie…

Teichmann: Hab ich falschen Schlungenza… Zungenschlag… die Ausweisung…

Markus Feldenkirchen (Moderator): Was meinten Sie denn??

Auch das ist komisch, aber auch auf eine gewisse Art beunruhigend: Die inquisitorische Beflissenheit, mit der Müller Teichmann ins Wort fällt und zurechtweist, die reziproke, unterwürfige Beflissenheit, mit der er sich selbst korrigiert, überhaupt der ganze Versuch, bestimmte Dinge komplett aus der Zone der Ansprechbarkeit und Formulierbarkeit zu entfernen.

In einem solchen Klima ist ein eloquenter und mutiger Mensch wie Martin Sellner dazu prädestiniert, zum Stachel im Fleische zu werden, zur Personifikation all des Verdrängten, Totgeschwiegenen, unter den Teppich Gekehrten, das sich im inneren Haushalt der Bundesrepublik angestaut hat.

Was mich betrifft, so überwiegt bei mir (momentan) der Optimismus, auch wenn das System momentan übermächtig erscheint (bzw. objektiv übermächtig ist). Die Eigentore, die es sich ständig schießt, weisen auf einen eklatanten inneren Konstruktionsfehler hin.

Sellner mag ein David gegen Goliath sein, aber wir alle wissen, wer in der biblischen Erzählung gesiegt hat.

– – –

Martin Sellner: Remigration. Ein Vorschlag – erscheint Anfang März, hier einsehen und vorbestellen.
Martin Sellner: Regime Change von rechts. Eine strategische SkizzeNachdruck erscheint in zwei Wochen – hier vorbestellen.

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Textquelle: https://sezession.de/68883/grenzspielche...der-einmal
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