22.02.2020, 13:04
Bundespolizei (Symbolbild) Bildquelle: Bernd Schwabe in Hannover; CC BY-SA 4.0
Kaum eine Gesetzesnovelle hat in linken und linksradikalen Kreisen in den letzten Wochen für einen derartigen Aufschrei gesorgt, wie die „Besondere Gebührenverordnung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen in dessen Zuständigkeitsbereich“. Was versteckt sich hinter dem sperrigen Titel?
Das Innenministerium hat im März 2019 einen Gesetzesentwurf eingereicht und bereits im September 2019 als neuen Gebührenkatalog aufgestellt. Der Katalog hält fest, wie teuer polizeiliche Arbeit und Einsätze verschiedenster Art sein werden. Polizeikosten? Das bezahlen doch Bund und Länder? Nicht ganz.
Zum einen handelt es sich entgegen verbreiteter Falschnachrichten nur um Einsätze der Bundespolizei. Die „normale“ Polizei, die in den Bereich der Bundesländer fällt, ist nicht betroffen. Der Inhalt der neuen Verordnungen hat es aber in sich. Eine Identitätsfeststellung durch die Beamten kostet rund 55 Euro, ein schriftlicher Platzverweis kann mit über 80 Euro zu Buche schlagen.
Wird ein Gewahrsam angeordnet, muss der Verdächtige fast 75 Euro berappen, für Übernachtungen auf der Dienststelle, wie beispielsweise in einer Ausnüchterungszelle, wird jede Viertelstunde berechnet. Ein Einsatz der Bundespolizei mit Identitätsfeststellung, Begleitung zur Dienststelle und unbequemer Übernachtung kann also locker an die 500 Euro kosten.
Reaktionen der Medien
Die linksliberale Presse kritisiert das neue Gesetz aufs Schärfste. „Telepolis“ spricht von einer „schrittweisen Aushöhlung der Freiheitsrechte“ und dass „Teilnehmer politischer und anderer Versammlungen aus Furcht vor hohen Zwangsgeldern von der Wahrnehmung ihrer bürgerlichen Rechte abgeschreckt werden könnten“.
An andere Stelle schreiben Gegner, dass wir in einen „neoliberalen Polizeistaat“ abgleiten würden, der für seine Arbeit auch noch Geld verlangt. Die „taz“ spricht von einer „bezahlten Repression“. Eine linke Facebook-Gruppe mit dem Namen „Nein zum Polizeigesetz Bayern“ schreibt zur neuen Gebührenverordnung:
„Marginalisierte Bevölkerungsgruppen und migrantisierte Personen sind besonders häufig von Maßnahmen betroffen und strukturell weniger dazu in der Lage die anfallenden Kosten aufzubringen.“
Im Klartext: Man hat panische Angst, dass linksradikale und gewaltbereite Demoteilnehmer sowie ihre Schutzbefohlenen, „migrantisierte Personen“, ergo illegale Einwanderer, zur Kasse gebeten werden.
Vorbeugung oder Kostendeckung?
Normale Teilnehmer einer Demonstration werden kaum Sorge haben müssen, einen Kostenbescheid zu erhalten. Kontakt mit der Bundespolizei bekommen nur diejenigen, die wirklich rebellieren.
Was hat sich das Innenministerium dabei gedacht? Um die offensichtlich knappen Kassen zu füllen, greift man auf personenbezogene Maßnahmen zurück und erhöht gerade nicht die Gemeinschaftskosten für den Steuerzahler.
Dabei handelt es sich um „Kosten, die durch eine spezielle, dem Einzelnen zurechenbare Sicherheitsleistung der Bundespolizei entstanden sind”, antwortet das Bundesinnenministerium auf eine Anfrage vom „Nordkurier“. Diese Kosten sollen vom Verursacher und nicht von der Allgemeinheit getragen werden.“
Die Behörde rechnet mit Mehreinnahmen in Höhe in 2,4 Millionen Euro. Ein Bruchteil des gesamten Haushaltspostens, der dazu da sein soll, Kosten der Einsätze und der Verwaltungsmaßnahmen abzufedern – und sicherlich auch als Abschreckung gegenüber Randalierern gelten.
Diese Randalierer sind fast ausschließlich Fußballfans oder linke Demonstranten. Demonstranten, die ihre Demonstrationen nicht anmelden, sich spontan zu Aufläufen treffen, sich an Schienen und Gebäuden festketten oder mit Böllern und Bengalos herumhantieren und Straßenzüge blockieren.
Abschreckung U-Haft funktioniert nicht mehr
Aber kann die Polizei gegen dieses illegale Treiben nicht auch auf herkömmlichen Weg vorgehen? Nicht wirklich: In linken und linksradikalen Kreisen existiert seit Jahrzehnten eine gewachsene Struktur, die „Opfern“ von Polizeieinsätzen Solidarität und Hilfe anbietet. Ein Leitfaden im Falle des Polizeikontaktes sowie ein „heißer Draht“ für den ersten Anruf steht ebenso bereit wie ehrenamtliche oder von der „Roten Hilfe“ bezahlte Anwälte, die linke Aktivisten direkt aus der U-Haft herausboxen. Die meisten Verfahren werden eingestellt.
Bislang genossen die aufmüpfigen Demoteilnehmer eine relative Narrenfreiheit. Da im Nachhinein nie nachgewiesen werden konnte, wer die Scheibe zertrümmert, den Reifen zerstochen, die Böller auf Polizisten geworfen hatte, kamen die Verdächtigen nach kurzer Zeit auf freien Fuß. Mit dem neuen Gesetz könnte die Hemmschwelle zum illegalen Verhalten deutlich steigen.
Die Hauptgefahr des neuen Gesetzes sehen Kritiker am möglichen Anreiz für die Polizei, mehr und mehr gegen friedliche Demonstranten und Fans vorzugehen, um eine weitere Einnahmequelle zu generieren. Kategorisch auszuschließen ist der Vorwurf freilich nicht, wenn auch eher unwahrscheinlich. Denn erstens, sind angedachte 2 Millionen Euro für das Budget der Bundespolizei nicht der Rede Wert. 2017 hatte die Bundespolizei ein Jahresbudget von 3,3 Milliarden Euro. Zweitens, profitieren die Einsatzkräfte nicht von den Mehreinnahmen. Warum sollte also ein Bundespolizist mit überzogener Härte gegen friedliche Demonstranten vorgehen?
Ob der Gebührenerlass verfassungskonform ist, wird in den kommenden Monaten geprüft werden. Mehrere Gruppen – hauptsächlich Akteure im Fußballbetrieb – haben bereits Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht angekündigt. Mit unklaren Aussichten auf Erfolg.
Präzedenzfall Bremen
Anfang 2019 entschied das Bundesverwaltungsgericht bereits einen ähnlichen Präzedenzfall. Dort ging es um die Gebührenerhebung der Polizei Bremen. Die hatte ein Gesetzespaket verabschiedet, dass der Landespolizei erlaubt, bei sogenannten „Hochrisikospielen“ im Fußball individuelle Gebühren zu erheben. Der „Deutschen Fußballliga“ (DFL) wurde ein Polizeieinsatz beim Lokalderby Werder Bremen gegen Hamburger SV in Rechnung gestellt. Zu Recht, wie das Bundesverwaltungsgericht entschied und die Klage der DFL ablehnte.
Nur in eindeutigen Fällen greift die neue Gebührenordnung
Besonders interessant: In einem Interview mit der „Jungen Welt“ klärt sich der Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei: „In den originären Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei gehören zum Beispiel Maßnahmen auf Bahngelände, wenn Demonstranten oder Fußballfans zu Großereignissen anreisen, und auf Flughäfen. Sonst ist die Bundespolizei nur in Amtshilfe für die Länderpolizeien tätig – dann gelten die Kostenübernahmeregelungen der jeweiligen Landesgesetze.“
„Bezahlte Repression“ titelte die „taz“ in ihrer Kritik. Der Artikel endet mit den Worten: „Ein Rechtsstaat, den man sich leisten können muss.“ Und ja, richtig, liebe „taz“ einen Rechtsstaat muss man sich leisten können. Warum sollen also derartige Summen aus den Taschen des Steuerzahlers finanziert werden, anstatt von denen, die sie verursachen? Zum ersten Mal in der Geschichte Deutschlands könnten linksextreme Rabauken ansatzweise spüren, was für einen „Schaden“ sie anrichten. Straftaten muss man sich leisten können.
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Quelle: https://www.blicknachlinks.org/meinung-l...emeinheit/
"Wenn Unrecht Gesetz wird,wird Rebellion Pflicht."
Der Klartexter
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