19.06.2024, 20:00
Kulturelle Transformation: Der Anfang vom Ende der 68er ist eingeläutet
19. Juni 2024
Der Anführer der 68er-Studentenbewegung, Rudi Dutschke und ein Mann mit einer Deutschlandflagge.
Die linke Hegemonie in Deutschland bröckelt, ein rechtsgerichtetes Lebensgefühl macht sich breit. Aber man darf sich nicht einbilden, dass die Deutschen plötzlich zur passionierten Vaterlandsliebe gefunden hätten. Sie werden schlicht von der Realität eingeholt.
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Das Jahr 1968 neigt sich – mit etwas Verspätung – dem Ende zu: Markus Lanz verteidigt Martin Sellner gegen Saskia Esken. Zur Einordnung: Damit hat jüngst einer der wichtigsten Vorredner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einen der bekanntesten rechten Aktivisten gegen eine der wichtigsten Vorrednerinnen der Sozialdemokratie in Schutz genommen. Ist der Siegeszug der Linksliberalität beendet?
Jeder halbwegs aufmerksame Bürger spürte schon seit Jahrzehnten, wie der politische Geist in der Bundesrepublik sich immer mehr ins Absurde verkehrt hatte. Seit der Studentenbewegung war bekanntlich Stück für Stück aus dem Diskurs verdrängt worden, was dieses Land mit seiner vielfältigen Geschichte ausgemacht hatte. Selbstverständlich hatte dieser Prozeß lange gedauert und war von vielen Ungleichzeitigkeiten geprägt: Von der Bonner zur Berliner Republik war es ein langer Weg, von der D-Mark zum Euro genauso – und von der ersten Strophe der Nationalhymne bis zu „Nie wieder Deutschland!“ als Begleitmusik der Bundespolitik erst recht.
Mischung aus Selbstversorgerhof und Swingerclub
Es wäre eine eigene Untersuchung wert, wie sich Sponti- und Antifa-Parolen, Denken und Politik radikaler Kommunisten und die Öko-Esoterik aus militanten Startbahn-West-Zeiten im gesamten Land durchsetzen konnten: Dieses ideologische Gewäsch wurde immerhin in weiten Teilen der Medien und Parteien akzeptiert. Die Bundesrepublik war seit rund sechzig Jahren in erheblichen Teilen in linker Richtung umgebaut worden. Ironie des Schicksals: Zeitgleich wurden all die kleinen und großen Tabus gebrochen, die die Alliierten der seinerzeit weit konservativeren Bundesrepublik aufgedrückt hatten. Auslandseinsätze der Bundeswehr, die außenpolitische Abnabelung von den USA, die heutzutage betont kritische Haltung zu Israel, der Corona-Autoritarismus – vieles davon hat sich unter Federführung linker Regierungen abgespielt.
Und dennoch: Ob man nun gerade nebenher Serbien bombardierte oder Afghanistan besetzte, am Ende ging es auf eine verschrobene Art und Weise darum, die Nation zu beschneiden, Geschlecht, Sippe und Familie als Kerninstitutionen des öffentlichen Lebens abzubauen und das Land durch Sozial- und Umweltpolitik in eine Mischung aus Selbstversorgerhof und Swingerclub zu verwandeln. Nur wurden diese Vorhaben spätestens seit 2010 so ins Groteske gesteigert, daß sie sogar der breiteren Öffentlichkeit augenfällig geworden, dann aufgestoßen und zuletzt zum Feindobjekt geworden sind: Bühne frei für die AfD!
Der herrschenden Kaste entgleitet die Lage
Spätestens seit auch Normalbürger von Werbeplakaten und halb so alten Personalerinnen mit stockendem Sternchen und distanzlosem Du angesprochen wurden, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die sorgsam durch die Institutionen marschierte grüne Wohlfühl-Atmosphäre ins Kippen kommen würde: Alle paar Tage bis Wochen versucht die herrschende Kaste mittlerweile mit ihren Aiwanger-, Potsdam-, Sylt-Skandälchen, die entgleitende Lage in den Griff zu bekommen. Es wirkt zunehmend verzweifelt.
Die linksliberale Bourgeoisie hat mit ihrer Autonomen-Politik, dem stotterigen Rumgegendere und mit dem übereilten AKW-Abschalten was Erzkonservative seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht etablieren konnten: ein breites, milieu- und generationenübergreifendes rechtsgerichtetes Lebensgefühl.
Cem Özdemir, Grünen-Politiker der alten Schule, haut es dieser Tage seinen Parteigenossen um die Ohren – auch wenn die bei der Veranstaltung des Stuttgarter Arbeitgeberverbandes Südwestmetall kaum vor Ort gewesen sein dürften: „Alle Versuche, mit der AfD umzugehen, sie zu dämonisieren, sie zu entzaubern oder sie zu ignorieren, sind ja gescheitert.“ Özdemir war dann und wann pragmatisch. Aber auf so großer Bühne ist das ein Eingeständnis: Wir kommen am rechtskonservativen Zeitgeist nicht mehr vorbei.
Sich der gesellschaftlichen Realität stellen
In diesem Kontext steht auch der erwähnte : Nicht nur, daß die SPD-Vorsitzende ohnehin viel einzustecken hatte, hier durften die Zuschauer Zeuge werden, wie das erste Mal seit Jahren im Sinne einer faktenbasierten Richtigstellung Partei für Vertreter des rechten Spektrums genommen wurde: Lanz korrigierte Esken dahingehend, daß beim berühmt-berüchtigten Potsdam-Leseabend selbst nach eingehender Recherche nicht von „Deportation“ gesprochen wurde – wie es wochenlang durch die Presse getrieben worden war.
Erstaunlich ist das nicht, weil hier zwei Erwachsene im Gespräch die Basis-Anforderungen einer Erstsemester-Hausarbeit – sachliche Korrektheit – erfüllen mußten, sondern weil ein pur ideologisches Emotionsthema des sozialdemokratisch-grünen Wahlkampfes vor laufender Kamera von einem TV-Kommentator im Kern attackiert wurde. Auch wenn es absurd klingt, aber dieser Minimalanspruch war seit Gründung der AfD im Jahr 2013 quasi nicht mehr eingehalten worden. Den Grund dafür haben die Diskutanten mehrfach ausgesprochen: Es gibt keinen anderen Weg mehr, außer sich der gesellschaftlichen Realität zu stellen.
Die Veränderungen sind nicht länger bestreitbar
Die Stimmungslage , die exponierte Stellung der jüngeren Generationen bei all dem: Die Veränderungen sind nicht länger bestreitbar. Neben dem Abnutzungseffekt des linken Populismus ist hier eine kulturelle Transformation im Gange: Man braucht sich nicht einzubilden, daß junge Erwachsene plötzlich zur passionierten Vaterlandsliebe gefunden hätten. Bevor diese Töchter und Söhne der 68er auf ihre iPhones und Remote-Jobs, auf bezahlbare WG-Zimmer, auf relative Zukunftssicherheit verzichten, werden sie selbstverständlich völlig gleichgültig gegen die Gefühle ihrer wohlsituierten Eltern das politische Lager wechseln.
Viele Kulturphänomene der vergangenen Jahrzehnte hatten bereits in sich ein konservatives Moment: Fitneß- und Techno-Kultur, auch Naturschutz und Teile des Hipstertums drehten sich um erstaunlich alte Werte. Der Überdruß und der rasante Wohlstandsverlust sind mit Sicherheit gewaltige Treiber für den rechten Hype unter jungen Leuten. Die Özdemirs und Eskens sollten sich damit vertraut machen, daß sie keinen ihrer verlorenen Wähler durch Trotz zurückholen werden: Mit ihrem jetzigen realitätsfernen, schwächlichen und beleidigten Gehabe werden sie die Kontrahaltung der Menschen, insbesondere der jüngeren, verstärken.
Man kann in Echtzeit dabei zusehen, wie sich die Regierung blindlings eine deutschlandweiteweite Cancel Culture gegen sich selbst erzeugt. Vielleicht eine Retourkutsche für all die bösartigen, häßlichen, metertief unter die Gürtellinie gehenden Angriffe auf die eigenen Kontrahenten.
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"Wenn Unrecht Gesetz wird,wird Rebellion Pflicht."
Der Klartexter
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