01.08.2023, 21:17
Klimakleber: Gibt es ein Versammlungsrecht für bezahlten Protest?
1 Aug. 2023
Das Verhalten der deutschen Obrigkeit gegenüber den Klimaklebern ist mehr als nur eigenartig. Es behandelt eine bezahlte Dienstleistung im Auftrag Dritter, die darauf zielt, Schaden bei Unbeteiligten anzurichten, wie eine legitime Form des Protests.
Klimakleber in Berlin (23. Mai 2023) - Quelle: © IMAGO/Jürgen Heinrich
Von Dagmar Henn
Wie ich darauf komme? Nun, es handelt sich nicht um die Ausübung eines Grundrechts. Klar bin ich auch angefressen, weil so viele andere Blockaden zuvor, die nicht einmal den kompletten Verkehr aufgehalten, sondern nur die Einfahrt zu einem möglichen Stationierungsort von Pershing-Raketen oder zur Baustelle in Wackersdorf blockiert hatten, weit unfreundlicher behandelt worden waren. Und weil ich die Klimanummer mittlerweile, da die Umsetzung sowohl international als auch national auf dem Tisch liegt, für gemeingefährlichen Unfug im Interesse großer Finanzblöcke halte.
Aber das ist gar nicht der Punkt. Ich einmal, auch wenn es wehtut, aus der Bild:
"Denn schon jetzt muss die sogenannte Letzte Generation den Gürtel enger schnallen. Neugewonnene Klima-Extremisten werden nicht mehr für ihre Straftaten bezahlt."
Dieses Detail des Bezahltwerdens wurde sogar durch Beteiligte indirekt bestätigt, als einer dieser "Aktivisten" auf einem Urlaubsflug entdeckt wurde und als Entschuldigung vorbrachte, er sei gerade nicht in der Arbeit. Nur die Obrigkeit hat auf dieses Detail nicht reagiert. Dabei ändert es eine Menge.
Warum? Weil jemand, der für eine vermeintliche Protestaktion bezahlt wird, nicht mehr sein eigenes Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausübt, sondern das desjenigen, der dafür bezahlt. Aber dieses Grundrecht ist an die Person geknüpft und, schlimmer noch, an die Staatsbürgerschaft, denn es heißt:
"Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln."
Nun sind die Blockaden, die die Klimakleber durchführen, selbst dann rechtlich fragwürdig, wenn sie es aus eigenem Antrieb, ohne Bezahlung täten, denn noch bei größter Sympathie für das Anliegen stellte sich die Frage, ob es nicht doch ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr ist, verbunden mit Nötigung. Das heißt: Selbst wenn eine Ausübung des Grundrechts vorausgesetzt werden kann, ist es immer noch etwas völlig anderes, als es die Blockaden der 1980er und 1990er waren, und könnte auch die damals gefallenen, das Recht auf solche Proteste bestätigenden, Entscheidungen des Verfassungsgerichts nicht für sich beanspruchen, da die Allgemeinheit in einem Maße gefährdet und geschädigt wird, wie es bei keinem der damaligen Proteste der Fall war.
Aber bezahlte Demonstranten? Eine Firma, ein Verein, eine Stiftung haben kein Demonstrationsrecht. Firmen können Plätze für Veranstaltungen mieten. Sie können aber keinen Anspruch auf Ausübung des Versammlungsrechts erheben. Das gilt logischerweise dementsprechend auch für ihre Angestellten, die zwar als Privatpersonen die Versammlungsfreiheit beanspruchen könnten, aber nicht im Auftrag desjenigen, der sie bezahlt.
Wie schreibt die Bild?
"Mit der angekündigten Millionenklage der Lufthansa und ohne neuen Großspender stehen die Klima-Kleber kurz vor dem finanziellen Ruin."
Das ist einer der Gründe, warum echte politische Organisationen nicht zu diesem Mittel greifen – die Kosten dafür sind zu hoch. Denn es ist auch bei echten Protesten üblich, dass zumindest versucht wird, Anwaltskosten und mögliche Strafen zu übernehmen, solidarisch. Aber die Möglichkeiten dazu sind begrenzt.
Wie so etwas funktioniert, kann man augenblicklich gerade bei den Anklagen zu den Paragrafen 130 und 140 StGB sehen, die inzwischen in großer Zahl gezogen werden, um abweichende Meinungen zur Ukraine zum Verstummen zu bringen. Wohlgemerkt, Verfahren, die wegen schlichter Meinungsäußerungen gegen reale Personen geführt werden. Wenn die Prozesse irgendwo zwischen zwei- und viertausend Euro Strafe enden, was genau die Höhe ist, die eine Fortsetzung bei ungünstigen Aussichten in nächster Instanz unökonomisch macht, weil die Verfahrenskosten die Strafe übersteigen, dann ist der Betrag in vielen Fällen hoch genug, dass die Betroffenen das gar nicht zahlen könnten. Also unterstützt man einander, sammelt das Geld im Internet etc.
Es bleibt jedoch nicht bei einem Fall, es werden Dutzende, dann Hunderte. Im Ergebnis wird nicht nur den Einzelnen, sondern ganzen Netzwerken und Organisationen die finanzielle Grundlage entzogen, ähnlich, wie es mit den Familien durch Hartz IV passierte. Es ist eine Möglichkeit, politischen Widerstand ökonomisch auszutrocknen, der nur entgangen werden könnte, wenn die Betroffenen auf breiter Front Haft statt Geldstrafe wählten, weil diese Variante für den Staat die teuerste ist.
Aber wir reden bei den Klimaklebern von Großspendern. Es scheint ursprünglich so eine Art All-Inclusive-Protest gewesen zu sein, wenn man den kühnen Schritt tut, die Aussagen der Bild ernst zu nehmen. Fahrtkosten, Unterkunft, Anwalt, Strafen, alles bezahlt, und ein Gehalt obendrauf. Nicht überraschend bei einer "Bewegung", die Frontfiguren wie Luisa Neubauer und Carla Reemtsma hervorbringt; oder, vermutlich wahrscheinlicher, die von Frontfiguren wie Neubauer und Reemtsma bezahlt wird, die jeweils problemlos die "Großspender" geben können.
Vor den Zeiten der "Philantropen", sprich, ehe es Mode wurde, die politische Einmischung Superreicher zur Menschenliebe zu verklären, waren größere Spenden ein Zeichen für Korruption und politisch höchst anrüchig gewesen. Die Bundesrepublik hatte sich jahrelang mit dem Parteispendenskandal beschäftigt, in dem es darum gegangen war, dass die großen Parteien Umwege gefunden hatten, um Industriespenden entgegennehmen zu können.
Heutzutage ist das alles in Ordnung, es gibt ja eine Deklarationspflicht. Spenden über 50.000 Euro müssen sofort gemeldet werden. Aber so viele Bereiche in Politik und Gesellschaft sind voll von solchen "Spenden" oder versuchten und erfolgten Einflussnahmen über Geld, dass inzwischen nicht der Geldfluss, wohl aber der Skandal entschwunden ist. Organisationen, die Spenden von Milliardären oder deren Stiftungen annehmen, gelten nicht mehr als gekauft, als beschmutzt und verzerrt, unecht, verlogen und instrumentalisiert, denn dann wäre nicht mehr viel übrig in der politischen Landschaft.
Natürlich wirkt die ganze Klimakleber-Nummer desto bizarrer, je deutlicher man wahrnimmt, dass die real existierende Klimapolitik und die durch sie ausgelöste Zerstörung der Produktivkräfte einzig und allein jener Art von Kapital nützt, das den geringsten Bezug zu handfester Produktion hat. Genau die Art von Konzernen, Kapitalgesellschaften und Individuen, die auch ansonsten gerne die Karte Einfluss gegen Geld ziehen und die Korruption fördern, die schlicht dann nicht mehr Korruption genannt wird, wenn man dem Korrumpierenden das Etikett "Philanthrop" umhängen kann.
Die Emissäre solcher "Philantropen", die sich auf bundesdeutsche Straßen kleben, Autofahrer um den Verstand und Lkw-Fahrer um Job und Führerschein bringen, werden juristisch so behandelt, als besäßen sie ein Versammlungsrecht, das sie nur, einer Nothilfeüberschreitung vergleichbar, ein wenig tiefer in den Raum des öffentlichen Verkehrs ausgeweitet haben.
In Wirklichkeit handelt es sich um die Durchführung einer Straftat im Auftrag von Dritten. Bei angemessener Berücksichtigung der Tatsache, dass wir hier von einem geschäftsmäßigen Eingriff in den Straßenverkehr reden, müsste den Ausübenden jede Ausübung der Versammlungsfreiheit abgesprochen und die "Großspender" als Auftraggeber der Straftat mindestens zivilrechtlich auf Schadensersatz belangt werden.
Ohne den Schutz der Regierung wäre ein solches Verhalten, wäre die ganze Kleberei schlicht unmöglich, weil jede Strafverfolgung sich sofort nicht nur gegen die einzelnen Kleber, sondern ebenso gegen die Organisation dahinter sowie ihre Organisatoren richten müsste. Nachdem der Zweck dieser Organisation einzig die Finanzierung von Straftaten ist, müssten gerade die Finanzverbindungen Ziele der Strafermittlung sein.
Auch hier finden sich nämlich ganz andere Beispiele. Wenn eine Aktivität politisch nicht gewünscht ist, geht das ganz fix, Konten zu kündigen, um die Arbeit finanziell zu behindern. Der Verein Friedensbrücke – Kriegsopferhilfe e. V., der unter anderem im Donbass humanitäre Hilfe leistet, braucht inzwischen etwa alle drei Monate ein neues Konto – so lang ist in der Regel die Kündigungsfrist bei den Banken. Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr zu fördern, ist vermutlich einfach förderungswürdiger, als einer Schule im Donbass das Dach neu zu decken oder einen Sandkasten für Flüchtlingskinder anzulegen.
Immerhin, in München wurde zumindest im vergangen Mai versucht, der Letzten Generation die Geldquelle abzuschneiden. Das führt dazu, dass auf deren Website steht: "Zur Vorsicht und wegen finanzieller Engpässe seit den Beschlagnahmen der GenStA München halten wir aktuell kaum Geld und nutzen Spenden direkt." Die Generalstaatsanwaltschaft München verwendete ursprünglich auch den Vorwurf, es handele sich um eine kriminelle Organisation und Spenden seien strafbar, woraufhin in den Medien breite Empörung einsetzte, denn es seien doch Proteste für die Zukunft aller usw. usf. Nur, dass die Frage der Bezahlung der Proteste selbst in diesem Zusammenhang nicht thematisiert wurde.
Wie die oben zitierten Aussagen belegen, kommt es jetzt außer vielfach zahnlosen Strafverfahren zu größeren Schadensersatzklagen. Bei dem "Protest", der die Schadensersatzforderung der Lufthansa auslöste, geht es allerdings nicht nur um einen gefährlichen Eingriff in den Straßen-, sondern in den Luftverkehr. Der wird üblicherweise ganz anders geahndet.
Die Klimakleber kommen bisher weit besser davon als die Lkw-Fahrer, die dagegen zur Wehr setzen und die meist Job und Führerschein verlieren. Das ist eine völlig bizarre Relation. Verwöhnte Pseudo-Protestler in einem durch Großspenden abgesicherten All-Inclusive-Programm, denen man noch in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts nicht die Hand gegeben hätte, weil die ganze Organisations- und Finanzierungsstruktur nach Korruption stinkt und bezahltes Protestieren als völlig würdelos gesehen worden wäre, die großflächigen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten, um noch mehr großflächigen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten zu können, und die von der Staatsgewalt vor jenen geschützt werden, die letztlich diesen Schaden ausbaden dürfen.
Wenn man dann noch die Erinnerung daran wachruft, wie beispielsweise im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen mit dem Demonstrationsrecht verfahren wurde, dem echten Versammlungsrecht realer Menschen, die ihre eigene Meinung ausdrücken wollten, ohne dafür bezahlt zu werden, dann kann man die ganze Sache nur noch als absurdes Theater betrachten, denn in ein und demselben Land zu ein und derselben Zeit können diese beiden Varianten nicht nebeneinander sein, ohne jeden Rahmen des Rechts zu sprengen.
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Quelle:
"Wenn Unrecht Gesetz wird,wird Rebellion Pflicht."
Der Klartexter
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