17.10.2022, 22:50
Erst vor wenigen Tagen hatte Annalena Baerbock zum Verhältnis mit China geäußert, Deutschland müsse aus seinen Fehlern in der Russland-Politik lernen und dürfe sich von keinem Land mehr existentiell abhängig machen, „das unsere Werte nicht teilt“.
Entkoppelung vom Reich der Mitte: Unmut in der deutschen Wirtschaft über Habecks Pläne
Zur Wahrung „unserer Werte“ und zur Vermeidung einer Abhängigkeit wie von Russland will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) das China-Geschäft mit neuen Regelungen empfindlich einschränken. Die deutsche Wirtschaft reagiert verstimmt.
Von ILONA PFEFFER
Containerterminal Tollerort im Hamburger Hafen. Der chinesische Konzern COSCO wollte sich mit 35 Prozent beteiligen.
Foto: Bunks, Lizenz: CC BY-SA, Mehr Infos
Wenn man die Wirtschaftspolitik der Grünen verfolgt, könnte man den Eindruck gewinnen, dass es mit dem Wirtschaftsstandort Deutschland bald vorbei sein könnte. Nach der Absage an russische Öl- und Gaslieferungen, die nicht nur für warme Wohnungen im Winter, sondern auch für den Weiterbetrieb deutscher Konzerne essentiell wichtig wären, und für die bisher kein Ersatz in Sicht ist, soll nach Willen von Robert Habeck und seinen Mitstreitern auch das China-Geschäft empfindlich eingeschränkt werden. Erst vor wenigen Tagen hatte die grüne Außenministerin Annalena Baerbock diese Absicht noch einmal bekräftigt. Deutschland müsse aus seinen Fehlern in der Russland-Politik lernen und dürfe sich von keinem Land mehr existentiell abhängig machen, „das unsere Werte nicht teilt“. Einmal mehr sollen also im Namen der deutschen „Werte“ Opfer gebracht werden.
Über eine Million Arbeitsplätze hängen an der Partnerschaft
China ist seit Jahren Deutschlands größter Handelspartner. Rund 5000 deutsche Firmen sind im Reich der Mitte aktiv, und allein im ersten Halbjahr 2022 soll die deutsche Wirtschaft laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) die Rekordsumme von rund zehn Milliarden Euro dort investiert haben. Die größten in China vertretenen Konzerne sind dabei Automobilhersteller und Chemiefirmen. Wie aus einer aktuellen Studie der Rhodium Group hervorgeht, entfällt allein auf VW, BMW, Mercedes und BASF ein Drittel der europäischen Direktinvestitionen in China. Zudem hängen in Deutschland laut dem IW-Experten Jürgen Matthes über eine Million Arbeitsplätze am Export nach China. Doch nicht nur die Deutschen sind in China tätig, auch andersrum sind die Verbindungen sehr eng. Zuletzt in die Diskussion geraten waren die Bestrebungen des chinesischen Konzerns COSCO, sich mit 35 Prozent am Containerterminal Tollerort im Hamburger Hafen zu beteiligen. China ist größter Kunde des Hamburger Hafens, allein in der ersten Jahreshälfte 2022 kamen dort über 1,3 Millionen Container aus China an. Die Hamburger Hafen und Logistik AG hält den Deal mit dem chinesischen Reederei-Riesen für eine gute Idee, die Bundesregierung und allen voran die Grünen aber nicht.
Der Hamburger Hafen sei schließlich nicht irgendein Hafen, sondern einer der Schlüsselhäfen nicht nur für Deutschland als Exportnation, sondern für Europa insgesamt, hatte Außenministerin Baerbock erklärt. „Wir müssen uns bei jeder Investition in deutsche kritische Infrastruktur fragen, was das in jenem Moment bedeuten könnte, in dem sich China gegen uns als Demokratie und Wertegemeinschaft stellen würde.“ Noch ist bezüglich COSCO keine Entscheidung gefallen und der Hamburger Hafen bleibt optimistisch, aber was dieses Beispiel einmal mehr verdeutlicht, ist: Deutschland und allen voran Habeck und Baerbock wollen die heimische Wirtschaft nach Möglichkeit von der chinesischen entkoppeln.
In Bezug auf deutsche Investitionen in China soll das dadurch geschehen, dass beispielsweise staatliche Investitions- und Exportgarantien zurückgefahren werden. Dadurch soll China für die deutschen Unternehmen unattraktiver werden, sodass sie sich nach anderen Märkten in Asien umschauen müssen, wie es die Bundesregierung gern hätte. Die deutsche Wirtschaft zeigt sich derweil alles andere als begeistert von Habecks Entkoppelungsfantasien. So sagte Friedolin Strack, Hauptgeschäftsführer des Asien-Pazifik-Ausschusses (APA), die staatliche Förderung und Absicherung des China-Geschäfts deutscher Unternehmen müsse grundsätzlich erhalten bleiben. „Eine angemessene Präsenz auf dem zentralen Wachstumsmarkt China ist wichtig – nicht nur für einzelne Unternehmen, sondern auch aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive.“ Die Erschließung weiterer Wachstumsmärkte in Asien sei zwar sinnvoll, dürfe aber nicht den Abzug aus China bedeuten, so Strack. Damit liegt Strack durchaus auf Linie mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der anders als Habeck und Baerbock das China-Geschäft erhalten und parallel durch Diversifizierung ergänzen will. Die China-Aktivitäten der deutschen Wirtschaft zu unterbrechen, wie das deutsche Wirtschaftsministerium es versuche, sei der falsche Weg, ist Markus Jerger, Vorsitzender des Mittelstandsverbandes BVMW, überzeugt. „Sollte die staatliche Exportförderung gestrichen werden, dann schätze ich, dass 50 bis 70 Prozent unserer Mitglieder nicht mehr den Mut hätten, in den Markt einzusteigen.“ Auch bei den deutschen Konzernriesen herrscht Unmut über Habecks Pläne und darüber, dass man sich nicht mit ihnen bezüglich der Strategien abgestimmt hatte. Es sei unmöglich, China und Europa vollständig voneinander zu trennen, sagt Tobias Just, Sprecher von Mercedes-Benz. Der deutsche Automobilhersteller verkauft in China etwa dreimal so viele Fahrzeuge wie in den USA.
China-Geschäft nicht mehr lohnend?
In einem Positionspapier, das die europäische Handelskammer Mitte September vorgelegt hatte, wird der chinesische Markt als zunehmend unattraktiv für europäische Unternehmen dargestellt. Als Gründe dafür werden die Beschränkungen im Zuge von Chinas Null-Covid-Politik und dessen „zunehmende Politisierung“ genannt. Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit gingen verloren und kaum noch neue europäische Unternehmen würden den Sprung nach China wagen, attestiert Kammerpräsident Jörg Wuttke. Neben der restriktiven Corona-Politik, die China gegen das Ausland abschotte und persönliche Treffen oft unmöglich mache, sei es auch Chinas Image, das den europäischen Unternehmen Probleme bereite. Menschenrechtsverletzungen und die Zuspitzung des Konflikts mit Taiwan seien schlecht für die Reputation. „Einige Unternehmen fangen an, nach anderen Ländern zu schauen, deren politisches System weniger eine Herausforderung ist, um nicht dafür kritisiert zu werden, dort tätig zu sein“, führt Wuttke aus.
Die großen, bereits in China tätigen deutschen Unternehmen scheinen diese Bedenken nicht zu teilen, und investieren weiter hohe Beträge. Auch neue Kooperationen mit Unternehmen in China werden angebahnt, wie das Beispiel der VW-Softwaretochter Cariad zeigt. Sie strebt Medienberichten zufolge ein Gemeinschaftsunternehmen mit Horizon Robotics, einem der weltweit führenden Anbieter von Edge-Computing-Systemen für künstliche Intelligenz, an. Dabei werden Investitionen von bis zu zwei Milliarden Euro genannt. Seit Anfang des Jahres soll die VW-Tochter ein lokales Team in China mit 600 Mitarbeitern aufgestellt haben, deren Zahl es bis Ende 2023 verdoppeln will.
Wahrung der westlichen Werte oder blinder Gehorsam?
Vielleicht beweisen diese Unternehmen, die trotz der von Robert Habeck angestrebten Erschwernisse für das China-Geschäft an diesem Markt nicht nur festhalten, sondern sich dort noch breiter aufzustellen suchen, eben jene Weitsicht, die der Bundesregierung fehlt. Chinas wirtschaftliche Macht wird nur noch wachsen, nicht zuletzt durch das seit Jahren aktiv vorangetriebene Prestigeprojekt „One belt, one road“-Initiative. Über den Landweg soll die neue Seidenstraße China über Süd-, West- und Zentralasien mit solchen Ländern wie Iran, der Türkei, Pakistan und Russland verbinden und sich bis nach Westeuropa erstrecken. Über den Seeweg steuert die maritime Seidenstraße von der chinesischen Küste aus Hanoi, Jakarta, Singapur, Kuala Lumpur über Sri Lanka, Indien und die Malediven die afrikanischen Hafenstädte Mombasa und Dschibuti an, geht dann durch das Rote Meer ins Schwarze Meer. Auf ihrer Route liegen Haifa, Istanbul und Athen, und schließlich das norditalienische Triest, von wo es in die Nordsee geht. China lässt sich das Mammutprojekt etwa 1,1 Billionen US-Dollar kosten. Gerade wegen dieser wirtschaftlichen Macht und ihrer kontinuierlichen Ausweitung bezeichnen US-amerikanische Think Tanks in ihren Strategiepapieren China mittel- und langfristig als größte Bedrohung für die Vereinigten Staaten. Immer wieder belegen sie den Wirtschaftsgiganten mit Sanktionen, wie zuletzt mit Export-Beschränkungen für die Chipbranche. Damit soll China der Zugang zu bestimmten Halbleiter-Chips verwehrt werden, die mit US-Geräten produziert werden.
Die grünen Entkoppelungsbestrebungen in Deutschland, gegen den Widerstand der eigenen Industrie und vor dem Hintergrund der Einbußen durch zweieinhalb Jahre Corona-Pandemie sowie der künstlich geschaffenen Energiekrise, lassen sich nicht logisch erklären. Dass „unsere Werte“, mit denen das China-Geschäft angeblich nicht kompatibel ist, für die Ampelregierung ein dehnbarer Begriff sind, zeigten Habeck und Scholz mit ihren (wenig erfolgreichen) Energieshoppingreisen zu den wohl mindestens genauso wenig kompatiblen Golf-Staaten. Vielleicht ist der Vorstoß von Habeck & Co. am Ende genau das, wonach er aussieht: blinder Gehorsam gegenüber dem großen Bruder jenseits des Atlantiks.
Quellen:
https://www.pi-news.net/2022/10/china-wi...ter-feind/
https://www.hintergrund.de/wirtschaft/en...ks-plaene/
"Wenn Unrecht Gesetz wird,wird Rebellion Pflicht."
Der Klartexter
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