21.02.2025, 20:10
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 21.02.2025, 20:11 von Klartexter.)
In Deutschland hat gerade die letzte Schlacht des Kalten Krieges stattgefunden
21 Feb. 2025
Die Transatlantiker in Europa wissen nicht, wie ihnen geschieht. Sie wollen krampfhaft an der Konfrontation mit Moskau und den alten Feindbildern festhalten. Aber das Washington unter Trump ist längst weiter. So zerschlagen sich die Illusionen der EU, während die USA vorankommen.
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61. Münchner Sicherheitskonferenz in München: US-Vizepräsident J. D. Vance (3. v. l.) während eines bilateralen Treffens mit Außenministerin Annalena Baerbock (3. v. r.) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (2. v. r.), 14. Februar 2025 - Quelle: © Sven Hoppe/picture alliance via Getty Images
Von Fjodor Lukjanow
Die diesjährige Münchner Sicherheitskonferenz erregte genauso viel Aufmerksamkeit wie vor 18 Jahren. Damals sorgte Wladimir Putin für Aufsehen, dieses Mal tat es US-Vizepräsident J.D. Vance. Obwohl fast zwei Jahrzehnte dazwischen liegen, verbindet diese beiden Reden ein wichtiges Thema: Beide stellten die auf dem Erbe des Kalten Krieges aufgebaute transatlantische Ordnung infrage. Und in beiden Fällen gelang es dem westlichen Establishment nicht, eine substanzielle Antwort darauf zu geben.
Im Jahr 2007 wurde Putins Warnung vor einer NATO-Erweiterung und einer Ausdehnung des westlichen Einflusses größtenteils als Jammern einer schwächelnden Macht angesehen. Einige Stimmen mahnten zur Vorsicht, aber in Washington und Brüssel herrschte Selbstgefälligkeit vor – man glaubte, Russland würde sich letztendlich fügen. Die Folgen dieser Fehleinschätzung sind nun für alle offensichtlich.
Heute wurde vom US-Vizepräsidenten eine andere Art Fehdehandschuh hingeworfen. Seine Rede signalisierte eine tiefe ideologische Kluft innerhalb des Westens selbst, auf die die westeuropäischen Führungskräfte offenbar nicht vorbereitet zu sein scheinen. Als Reaktion darauf berief der französische Präsident Emmanuel Macron einen Dringlichkeitsgipfel ein, um eine gemeinsame Position festzulegen. Aber begreift die EU wirklich das Ausmaß der Herausforderung? Die ersten Reaktionen lassen darauf schließen, dass dies nicht der Fall ist. Es herrscht nach wie vor die – wenn auch fehlgeleitete – Hoffnung, dass man diesen "Sturm" einfach aussitzen könne.
Vergeltung, Ideologie und die sich wandelnde Weltordnung
Man kann Vances Äußerungen in München auf verschiedene Weise erklären. Die naheliegendste ist Vergeltung. Westeuropäische Politiker äußern sich seit Jahren offen abfällig über Trump und seine Verbündeten, in der Annahme, dass dies ohne Konsequenzen bleiben würde. Doch mit Donald Trumps Amtsantritt müssen sie nun die bittere Erkenntnis hinnehmen, dass ihre Worte nicht vergessen wurden.
Aber es gibt auch eine tiefgreifende ideologische Divergenz. In vielerlei Hinsicht spiegelt Vances Kritik an Europa dieselben Vorwürfe wider, die die Siedler der Neuen Welt vor Jahrhunderten dazu veranlassten, sich von der Alten Welt abzuspalten: Tyrannei, Heuchelei und Parasitentum. Er und andere wie Elon Musk scheuen sich nicht davor, sich in europäische Angelegenheiten einzumischen – eine Vorgehensweise, die liberale Ideologen lange Zeit im Namen der Demokratieförderung gerechtfertigt haben. Mittlerweile erstreckt sich die Debatte darüber, was Demokratie wirklich bedeutet, über die USA hinaus auf das gesamte transatlantische Bündnis. Dieser ideologische Kampf wird den Kurs des Westens in den kommenden Jahrzehnten prägen.
Als dritter und wichtigster Faktor für Vances Rede lässt sich die umfassendere Veränderung der globalen Machtdynamik anführen. Die Welt befindet sich im Wandel. Es ist zwar noch zu früh, um die neue Weltordnung abschließend zu definieren, aber eines ist klar: Die alten Methoden funktionieren nicht mehr. Demografische Entwicklungen, wirtschaftliche Veränderungen, technologischer Wettbewerb und militärische Neuausrichtungen verändern das globale Gleichgewicht.
Im Mittelpunkt dieses Wandels steht eine zentrale Frage für den Westen: Soll der Kalte Krieg, wie er im 20. Jahrhundert definiert wurde, endgültig beendet oder der Kampf unter neuen Bedingungen fortgesetzt werden? Die Antwort Westeuropas bestand bisher darin, an der Konfrontation festzuhalten – vor allem, weil es dem dortigen westlichen Block nicht gelungen ist, ehemalige Gegner so zu integrieren, dass er seine eigene Zukunft sichern kann. Die USA hingegen scheinen bereit zu sein, den Blick in die Zukunft zu richten. Dieser Wandel ist nicht allein Trump zu verdanken: Jeder amerikanische Präsident seit George W. Bush Jr. hat auf die eine oder andere Weise die Priorität Europas zugunsten anderer Regionen zurückgestuft. Trump hat dies lediglich am deutlichsten zum Ausdruck gebracht.
Westeuropas Dilemma: An der Vergangenheit festhalten oder in die Zukunft blicken
Wie wird Westeuropa darauf reagieren? Im Moment scheint es dem ideologischen und geopolitischen Konzept des Kalten Krieges treu bleiben zu wollen. Dabei geht es nicht nur um Sicherheit, sondern auch darum, die eigene Relevanz zu bewahren. Die EU ist ein Produkt der liberalen Weltordnung und braucht einen definierten Gegner, um ihren Zusammenhalt zu rechtfertigen. Ein vertrauter Feind – Russland – erfüllt diesen Zweck weitaus besser als ein unbekannter wie China.
Aus dieser Perspektive liegt die Vermutung nahe, dass einige sogar versuchen könnten, die Spannungen so weit zu eskalieren, dass den USA keine andere Wahl bleibt, als einzugreifen. Ob der Block tatsächlich in der Lage ist, eine solche Krise zu provozieren, ist eine ganz andere Frage.
Für die Vereinigten Staaten sieht die Situation komplexer aus. Einerseits würde ein Abrücken vom alten Rahmen des Kalten Krieges es Washington ermöglichen, sich auf das zu konzentrieren, was es als die eigentlichen Herausforderungen der Zukunft ansieht – und das sind China, der Pazifik, Nordamerika, die Arktis und in geringerem Umfang auch der Nahe Osten. Westeuropa hat in diesen Bereichen wenig zu bieten. Andererseits ist eine völlige Abkehr vom Alten Kontinent nicht zu erwarten. Trump ist kein Isolationist; er stellt sich lediglich ein anderes Modell des Imperiums vor – eines, aus dem die USA mehr Nutzen ziehen und weniger Lasten auf sich nehmen.
Vances Aufruf an Westeuropa, "seine Demokratie in Ordnung zu bringen", sollte daher in diesem Kontext verstanden werden. Es geht nicht um die Verbreitung von Demokratie im traditionellen Sinne, sondern um die Optimierung der Staatsführung in einer Provinz, die von den USA zunehmend als dysfunktional angesehen wird. Tatsächlich ist Vances Haltung zur europäischen Souveränität wohl noch abschätziger als die seiner liberalen Vorgänger, die zumindest ein Lippenbekenntnis zur transatlantischen Einheit ablegten.
Die Endschlacht des Kalten Krieges?
Vances Münchner Rede war keine bloße rhetorische Salve im Streit zwischen den USA und Europa. Sie stellte vielmehr einen Meilenstein in der Entwicklung des transatlantischen Denkens dar. Jahrzehntelang wurde im transatlantischen Bündnis davon ausgegangen, dass der Kalte Krieg nie wirklich zu Ende war. Die grundlegende Frage ist nun, ob es sich lohnt, ihn endgültig zu beenden und einen neuen unter anderen Bedingungen zu beginnen.
Die derzeitige Strategie der EU – die Aufrechterhaltung der Konfrontation mit Russland als Mittel zur Wahrung des eigenen Zusammenhalts – scheint auf lange Sicht nicht tragfähig zu sein. Wenn die USA sich zurückziehen und ihren eigenen Interessen an anderer Stelle Vorrang einräumen, wird Brüssel seine Position überdenken müssen. Wird es sich weiterhin auf ein Konzept aus dem Kalten Krieg verlassen, das der modernen Welt nicht mehr gerecht wird, oder wird es diesen Wandel endlich erkennen und sich darauf einstellen?
Im Moment vergrößert sich die transatlantische Kluft. Von den Entscheidungen, die in den kommenden Monaten getroffen werden, hängt ab, ob diese Kluft zu einem dauerhaften Bruch führt – oder ob sie den Beginn einer neuen geopolitischen Ordnung darstellt, in der Westeuropa endlich lernt, auf eigenen Füßen zu stehen.
Übersetzt aus dem .
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Vance-Debatte: Der repressive deutsche Staat
21 Feb. 2025
Ist Deutschland ein repressiver Staat? Das Geflecht der Finanzierung von NGOs und das Kooptieren von Medien deutet in diese Richtung. Die etablierten Parteien wirken nicht mehr an der Willensbildung mit, sondern geben den politischen Willen vor. Das sind Merkmale autoritärer Systeme.
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Hält Deutschland für einen repressiven Staat: US-Vizepräsident J.D. Vance. - Quelle: © Will Oliver - Pool via CNP
Von Gert Ewen Ungar
US-Vizepräsident J.D. Vance hält Deutschland für einen repressiven Staat, in dem demokratische Kultur nicht verwirklicht ist. Die Meinungsfreiheit ist beschränkt, die Pressefreiheit ist faktisch abgeschafft, es herrscht ein umfassendes System der Kontrolle, Disziplinierung und Einschüchterung. Das ist alles richtig.
Die Frage ist, wie diese Repression funktioniert? Und es stellt sich die Frage, wieso es erneut dazu kommen konnte, denn es ist für Deutschland und die Deutschen nicht die erste Erfahrung von Autoritarismus. Jedes Mal geloben sie danach Besserung, nur um dann wieder dort zu stehen, wo sie eigentlich nie wieder stehen wollten. Jetzt ist es wieder soweit.
Deutschland bekommt es von außen gesagt. Die Beweise sind offenkundig, doch die deutsche Politik leugnet die real existierenden deutschen Zustände weiter vehement. Zentral verantwortlich für die konkreten repressiven Maßnahmen, aber auch für das Klima der Angst und des Misstrauens in Deutschland ist natürlich genau jene Politik, die all die Repression leugnet.
Viel läuft im Verborgenen. Bei Kontokündigungen ist es schwer, ihren Einfluss nachzuweisen, auch wenn evident ist, dass es ihn gibt. Die hohe Zahl willkürlicher Kontokündigungen gegenüber kritischen Journalisten, unabhängigen Medienunternehmen und ungehorsamen Bürgern ist ohne politische Einflussnahme nicht erklärbar. Derartige verdeckte Maßnahmen sind typisch für autoritäre, repressive Staaten. Deutsche Politik greift zu diesem Mittel. Vance hat daher vollkommen recht. Sein Buch hat der Ullstein-Verlag übrigens aus dem Sortiment gekickt. Der Verlag findet Vance "problematisch". Besser als durch diese Maßnahme lässt sich wohl kaum illustrieren, dass Vance richtig liegt.
Offen zutage liegt die politische Einflussnahme auf Ebene der NGOs und Medien. Dort ist die politische Steuerung direkt nachweisbar: 182 Millionen Euro lässt sich die Bundesregierung beispielsweise das Programm "Demokratie leben" im Jahr 2025 kosten. Das Programm existiert seit 2015. Es diene der Demokratieförderung, behauptet das verantwortliche Familienministerium unter der Führung von Lisa Paus (Grüne).
Wer etwas genauer hinschaut, stellt schnell fest, gefördert wird hier vor allem Ideologie. Demokratie bleibt dagegen auf der Strecke. Es geht um die Implementierung einer vorgegebenen politischen und vor allem ideologischen Agenda, die selbst nicht infrage oder zur Diskussion gestellt wird. Die Bundesregierung gibt über die Förderung von NGOs und Projekten vor, was in Deutschland gedacht werden soll und wer aufgrund seiner abweichenden Meinung ausgegrenzt werden darf.
Was nicht zur politischen Agenda der Bundesregierung passt, wird nicht gefördert. Das führt zu paradoxen Effekten. Wer von der Finanzierung profitieren will, muss sich den Vorgaben anpassen. Also bieten auch Gemeinden wie das auf der Ostalb gelegene Schwäbisch Gmünd auf den Spuren queeren Lebens an. Was tut man nicht alles für Geld.
Gefördert wird so nicht die Diskussion über Politik und gesellschaftspolitische Themen, sondern die Durchsetzung einer konkreten Ideologie. Das ist nicht demokratisch und dient auch nicht der demokratischen Kultur.
Die etablierten politischen Parteien in Deutschland haben den Kompass völlig verloren. Sie kehren die Verhältnisse um. Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung mit, steht im Grundgesetz, aber sie geben den politischen Willen nicht vor. Wenn eine Regierung durch die Finanzierung von Organisationen und die Allianz mit Medien den Menschen im Land vorgibt, was im Staat zu denken ist, dann hat diese Regierung den Boden der Demokratie verlassen. Genau das ist aber, was in Deutschland passiert.
Wenn dieser Staat dann zudem Demonstrationen unterstützt, die sich offen gegen die Opposition und gegen Andersdenkende richten, dann ist die Grenze zum Autoritarismus überschritten. Man marschiert in Deutschland nicht mehr in Reih und Glied, aber man marschiert.
Wenn zu all dem noch ein System der Zensur hinzukommt, dann handelt es sich ganz ohne Zweifel um einen totalitären Staat. Es gibt da wenig dran zu deuteln. Daran ändert auch nicht, dass sich gesellschaftliche Schichten in Deutschland für den Umgang mit LGBT, für ihre Refugees-Welcome-Kultur und für ihr Bekenntnis zu Israel für besonders liberal, links und weltoffen halten. Sie machen sich da etwas vor, denn daran bemisst sich Freiheit nicht. Der Maßstab für Freiheit ist nicht der Mitläufer. Mitläufer fühlen sich in jedem System wohl und frei. Die Freiheit bemisst sich immer an der Freiheit der Andersdenkenden, hat uns Rosa Luxemburg mit auf den Weg gegeben. Und um die Freiheit der Andersdenkenden ist es in Deutschland extrem schlecht bestellt.
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