12.04.2025, 06:16
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 14.04.2025, 19:21 von Klartexter.)
Der Koalitionsvertrag: Ein manisches Dokument (Teil I)
11 Apr. 2025
Dieses Monster muss man langsam zerlegen, weshalb hier als Erstes so eine Art Gesamteindruck wiedergegeben wird. Danach folgen dann genauere Blicke auf einzelne Abschnitte wie Wirtschaft, Digitalisierung, Außenpolitik, bürgerliche Freiheiten.
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Von Dagmar Henn
Der erste Eindruck ist manisch, wie beim manischen Teil einer bipolaren Störung, wenn der Betroffene unbegründet optimistisch und hektisch aktiv ist, ohne dass dieses Verhalten in der Wirklichkeit wurzelt – nur um danach in die depressive Phase zu fallen.
Das mit der Wirklichkeit ist so ein Ding. Wenn man das ganze Papier liest, gibt es zwischendrin kurze Abschnitte, die normal wirken, und man nimmt es mit Verblüffung zur Kenntnis. Der Abschnitt zur Behindertenpolitik etwa wirkt, zumindest auf den ersten Blick (genauer habe ich ihn noch nicht durchgearbeitet) wie das, was man früher von Fachpolitikern erwartet hätte. Umsetzbare Fortschritte. Noch immer keine Garantie dafür, dass das, was versprochen, auch umgesetzt wird, aber es gibt zumindest keine unmittelbare Kollision zwischen der echten Welt und dem, was in dem Abschnitt steht, und es löst auch keine direkten Schmerzen aus.
Dann gibt es die Bereiche, in denen ein Abgrund gähnt. Im Abschnitt zu Arbeit, zur Sozialpolitik beispielsweise. Der besteht fast nur aus bösen Ahnungen, schon beim ersten Blick. Bei diesem Satz etwa: "Dazu gehört auch, die Transferentzugsraten in den unterschiedlichen Leistungssystemen besser aufeinander abzustimmen." Heißt das, das Sanktionsregime, das aus dem Bürgergeld wieder das bekannte Hartz IV macht, soll auf andere Sozialleistungen wie das Wohngeld ausgeweitet werden? Sozusagen Sanktion für alle, die nicht reich genug sind?
Klar, solche Verträge sind an vielen Stellen notwendigerweise wolkig, schließlich sollen sie ja noch Spielraum für die Umsetzung lassen. Aber da ist zwar viel Wollen, Stärken und Stützen, wie das die Wortwolke ergibt, doch was bleibt davon noch übrig, wenn man die tatsächlichen Ergebnisse der Gegenwart als Ausgangspunkt nimmt? Eine vereinheitlichte digitale Verwaltung, in der für jede Sozialleistung nur einmal Daten eingereicht werden müssen, und das möglichst noch ohne Erscheinen in der Behörde?
Da fällt mir als Erstes ein, dass nur Teile dieses Bereichs von Bundesbehörden abgewickelt werden, Wohngeld beispielsweise geht im übertragenen Aufgabenbereich durch kommunale Verwaltungen. Das ist kein kleines Problem – im Koalitionsvertrag wird zwar behauptet, künftig werde der Bund nur noch Anforderungen an Kommunen stellen, die auch gegenfinanziert sind, aber im ganzen Billionenpaket sind gerade mal hundert Milliarden für die Kommunen vorgesehen, die zwei Drittel der öffentlichen Investitionen tätigen.
Und die Ausstattung der Kommunen ist, was Digitalisierung angeht, alles andere als einheitlich, nicht einmal innerhalb größerer Kommunen selbst. Eine einheitliche Bearbeitung setzt mindestens einheitliche Software voraus, die aber auf verschiedenen Plattformen laufen können muss, die auch in völlig veralteten Systemen funktionieren und unter all diesen Voraussetzungen noch einen einheitlichen Sicherheitsstandard gewährleisten können müsste. So etwas ist extrem teuer und zeitaufwendig (und am Ende oft doch nicht funktionstüchtig). Es gäbe exakt einen Weg, der vergleichsweise schnell die Voraussetzungen dafür schaffen würde – der Bund liefert für alle betroffenen Bereiche aus eigenen Mitteln einheitliche Rechner mit dem entsprechenden System, an alle betroffenen Verwaltungseinheiten. Das aber wäre ein derart gigantischer Auftrag, dass man gar nicht wissen will, wer da von wem womit geschmiert wird ...
Wieso fällt mir da jetzt die Gewerbesteuer ein? Ach ja, weil – und das ist ein Musterbeispiel für die Kehrseite der Digitalisierung – Microsoft jahrelang gegen die Verwendung von Linux in der Münchner Stadtverwaltung kämpfte und dabei letztlich dadurch gewann, dass die Deutschlandzentrale samt der zugehörigen Gewerbesteuer nach München umzog (und dass die Körperschaftssteuer laut Koalitionsvertrag teilweise an die Stelle der Gewerbesteuer treten soll, trifft den Haushalt der Kommunen, nur so als Randnotiz).
Allerdings, das alles spielte sich schon vor Jahren ab, als Wissen um die prinzipielle Verwundbarkeit US-amerikanischer IT-Produkte noch vergleichsweise exotisch war. Das Wissen ist jetzt an sich vorhanden, aber die US-amerikanische Nase, die bei entsprechender Hard- und Software immer tief in den Daten steckt, wird nach wie vor gern übersehen, es wird nur eine Bedrohung durch China wahrgenommen. Der Koalitionsvertrag ist in dieser Hinsicht völlig naiv. Da wird von Datensicherheit getönt, doch eine Realisierung, bei der diese tatsächlich gegeben wäre, ist nicht ansatzweise zu erahnen. Das zeigt schon die blinde Befürwortung der digitalen Patientenakte.
Überhaupt, das grundsätzliche Problem, dass digitale Daten von Natur aus wesentlich leichter fälschbar sind als analoge, auch rückwirkend, ist noch gar nicht angekommen. Allerdings, da die Umsetzung, wie üblich, am Geld genauso scheitern wird wie an der Trägheit der unterschiedlichen politischen Ebenen, könnte sich der Schaden ganz unabsichtlich in Grenzen halten.
Das ist eben dieses Ding mit der Wirklichkeit. Da hat dann die CDU ein Hobby und schreibt so eine Art Sparvertrag ab Geburt als Beitrag zur Rente hinein, in den dann die derart Beschenkten ab Volljährigkeit weiter einzahlen können. Da denkt man auch, dass es vielleicht mal hilfreich wäre, die Statistik der Bundesbank zur Vermögensverteilung zu lesen.
Die genügt voll und ganz, um zu erkennen, dass der eine Teil der Bevölkerung so etwas nicht braucht, weil genug Vermögen vorhanden und dieser läppische Sparvertrag nur so eine Art unnötiger Bonus ist, der andere aber weder mit 18 noch danach irgendwas zum Sparen hat, was ja der Grund dafür ist, dass schon die Sache mit der Riester-Rente schiefging. Was unter diesen Bedingungen davon übrig bleibt, ist, dass die Wohlhabenderen sich ein wenig freuen können, aber letzten Endes einfach nur ein weiterer Brocken staatlichen Geldes in den Finanzmarkt geworfen wird. Und das auch noch unter Voraussetzungen, bei denen man täglich das ganz laute Platzen großer Blasen erwarten kann.
Oder dann wird betont, wie wichtig doch Bildung sei. Grundschulkinder sollten "die Mindeststandards im Lesen, Schreiben, Rechnen" nicht verfehlen und keiner solle die Schule ohne Abschluss verlassen. Das Stichwort "Migration" und "Sprache" taucht in diesem Zusammenhang aber nicht wirklich auf, obwohl hier das ganz große Problem liegt. Praktischerweise ist ja Bildung Ländersache, also kann man gut große Reden schwingen und hinterher erklären, man sei ja eigentlich gar nicht zuständig.
Ganz nebenbei soll aber dann unter anderem die Kinder- und Jugendhilfe künftig nicht mehr in die Zuständigkeit der Verwaltungs-, sondern der Sozialgerichte fallen. Für alle, die mit gerichtlichen Auseinandersetzungen im Sozialbereich Erfahrung haben, ein ganz schlechtes Zeichen. Für die Betroffenen jedenfalls, weil die Sozialgerichte überwiegend weit weniger menschenfreundlich sind als die Verwaltungsgerichte. Und sowieso schon seit unzähligen Jahren völlig überlastet, was dafür sorgt, dass Klagen gegen entsprechende Entscheidungen deutlich länger dauern. Für das BAföG gilt das übrigens auch. Ja, ein toller Fortschritt.
So geht das von Abschnitt zu Abschnitt. Da soll Energie günstiger und die Wirtschaft wettbewerbsfähiger werden, aber vom Klimawahn kann man sich nicht ansatzweise verabschieden. Da soll dann CO2-Steuer eingenommen und irgendwie an die Bürger zurückgezahlt werden, obwohl man tausendmal beteuert, Bürokratie abbauen zu wollen, und obwohl völlig klar ist, dass die einfachste und unbürokratischste Methode, das Geld zurückzugeben, darin besteht, es gar nicht erst einzubehalten. Was in diesem Fall, da es sich um eine Verbrauchssteuer handelt, die wie alle Verbrauchssteuern die Armen weit mehr belastet als die Reichen, naturgegeben auch noch sozial gerecht wäre.
Und man will ganz viel Windkraft ausbauen und wünscht sich den ersten Fusionsreaktor nach Deutschland, wagt es aber nicht, das deutsche Patent eines Dual-Fuel-Reaktors umzusetzen, der den gewaltigen Vorteil hätte, bei der Energiegewinnung auch noch den radioaktiven Abfall früherer Kernkraftwerke zu beseitigen ... Nein, nichts an der Energieplanung ist zuverlässiger oder besser als das, was die Ampel zusammenstöpselte (oder eher abschaltete), und ohne verlässliche Energieversorgung kann man die restlichen Überlegungen zur Industrie gleich im Papierkorb entsorgen, aber da ist nun einmal der Klimaglaube. Als gäbe es irgendjemanden andernorts auf dem Planeten, der das Doppelte für eine Tonne Stahl zahlt, nur weil der "grün" ist.
Ach ja, der Strafrahmen für Spionage wird deutlich erhöht, das alte Minimum Geldstrafe verwandelt sich in ein halbes Jahr Freiheitsstrafe. Die Möglichkeit, Vermögen "unklarer Herkunft" zu kassieren, wird durch Beweislastumkehr deutlich erhöht; man könnte bösartig sagen, alles Geld, dessen Ursprung nicht nachgewiesen werden kann, kann eingezogen werden. Für einen Staat, dem vorn und hinten das Geld fehlt, eine interessante Option. Überhaupt finden sich im Strafrechtsbereich einige üble Dinge, aber das muss man wirklich im Detail betrachten.
Also zum Abschluss dieser kleinen Einleitung noch ein besonderes Schmankerl, das in der Gegend, die da gemeint ist, auf große Begeisterung stoßen dürfte:
"Ergänzend braucht Deutschland qualifizierte Einwanderung. Die Demografie, gerade in den neuen Bundesländern, stellt den Arbeitsmarkt vor besonders große Herausforderungen."
Ich nehme einmal an, das muss man nicht übersetzen.
Und fast hätte ich das Wichtigste vergessen:
"Wir streben an, dass eine deutsche Astronautin oder ein deutscher Astronaut im Rahmen einer internationalen Mission zum Mond fliegt."
Wollen, stärken, setzen ist schon eine passende Zusammenfassung. Gewollt wird vieles. Das Wort Können spielt bei Weitem nicht die Rolle, die es spielen müsste; wer auch immer in diesem Land einmal eine ehrliche Bilanz zieht, diese Koalitionspartner haben es nicht getan, weder innen- noch außenpolitisch, weder im Umgang mit dem Klimaglauben noch bei der Wirtschaftspolitik. Märchen kann man sich aber in ästhetisch ansprechenderer Weise erzählen lassen.
Und eins noch: Das Wort Wehrpflicht kommt auf 144 Seiten kein einziges Mal vor. Unklar ist nur, ob das daran liegt, dass sich die Koalitionspartner da nicht einigen konnten, ob sie das Publikum lieber böse überraschen wollen oder ob ihnen aufgegangen ist, dass der Anteil der Kinder mit Migratonshintergrund auch da ein klitzekleines Problem schafft. Es gibt wenig Anlass zur Hoffnung, aber es bleibt spannend.
Mehr zum Thema –
Quelle:
Der Koalitionsvertrag: Es wird weiter gefaesert (Teil II)
12 Apr. 2025
Und jetzt hinein in den Albtraum. Der erste genauere Blick gilt den Bürgerrechten, also dem Zustand, in dem sich die Restdemokratie unter dieser Koalition wiederfinden wird. Das Ergebnis ist alles Andere als erquicklich: mehr vom Gleichen.
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Von Dagmar Henn
Eines ist jetzt völlig klar: Die Anfrage, die CDU und CSU kurz vor der Bundestagswahl zu den NGOs stellten, war ein reines Ablenkungsmanöver. Der Koalitionsvertrag besagt klar und deutlich, dass der ganze undemokratische Sumpf weiter gepflegt wird:
"Wir unterstreichen die Bedeutung gemeinnütziger Organisationen, engagierter Vereine und zivilgesellschaftlicher Akteure als zentrale Säulen unserer Gesellschaft. Die Unterstützung von Projekten zur demokratischen Teilhabe durch das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ setzen wir fort."
Correctiv und Co. dürften jedenfalls die Sektkorken knallen lassen. Womit sich zur Not noch leben ließe, wäre nicht im Rest des Textes, gut verteilt, die Ankündigung, dass die Schrecken, die die Amtszeit von Innenministerin Nancy Faeser prägten, noch weiter verstärkt werden sollen, Stichwort für Stichwort. Nehmen wir beispielsweise das:
"Was die Feinde der Demokratie angeht, gilt der Grundsatz "Null Toleranz". Es ist die gesamtstaatliche und gesellschaftliche Verantwortung, jedweder Destabilisierung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung entgegenzuwirken und dabei auch unsere Sicherheitsbehörden nicht alleinzulassen."
Das hat einen leichten Anklang von Faesers Wiederauflage des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums", mit dem "jederzeitigen Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung". Das es ermöglicht, politisch unbotmäßigen Beamten auch die Pension zu entziehen, beispielsweise. Und, in der Nähe, wenn auch etwas versteckt, findet sich dann:
"Wir werden das Gesetz zur Beschleunigung der Disziplinarverfahren und seine Auswirkungen im Jahr 2027 evaluieren und es gegebenenfalls ändern."
Das dürfte heißen, spätestens 2027 gäbe es die nächste Verschärfung. Praktisch, wenn die ganzen anderen Änderungen, die in den letzten Jahren durchgeführt wurden, Bestand haben, wie die vielen Denunziationsmöglichkeiten und der ganze illegale Verfolgungsapparat von Kontensperrungen bis zur vollständigen Überwachung. Faeser wird auf jeden Fall geistig erhalten bleiben. Hier beispielsweise:
"Wir führen eine verhältnismäßige und europa- und verfassungsrechtskonforme dreimonatige Speicherpflicht für IP-Adressen und Portnummern ein, um diese einem Anschlussinhaber zuordnen zu können. Im Rahmen ihrer begrenzten Zuständigkeit ermöglichen wir der Bundespolizei zur Bekämpfung schwerer Straftaten die Quellen-TKÜ ohne Zugriff auf retrograd gespeicherte Daten. Für bestimmte Zwecke sollen unsere Sicherheitsbehörden, unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben und digitaler Souveränität, die automatisierte Datenrecherche und -analyse sowie den nachträglichen biometrischen Abgleich mit öffentlich zugänglichen Internetdaten, auch mittels Künstlicher Intelligenz, vornehmen können. Wir erlauben zu Strafverfolgungszwecken den Einsatz von automatisierten Kennzeichenlesesystemen im Aufzeichnungsmodus."
Übersetzen wir diese Passage in normales Deutsch. Die Vorratsdatenspeicherung wird eingeführt, und für "schwere Straftaten", also für alles, bei dem mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe die Folge sein kann, kann die Bundespolizei die Telekommunikation überwachen. Das bedeutet nämlich Quellen-TKÜ: Überwachung der Telekommunikation an der Quelle, sprich, bei der Zielperson, egal, ob es sich um Telefonie oder Internet handelt. Außerdem können alle "öffentlich zugänglichen Internetdaten" biometrisch ausgewertet werden. Das bedeutet, wenn irgendwo im Netz ein Video von einer Demonstration ist, können sie darüber die Gesichtserkennung laufen lassen, um die Teilnehmer zu identifizieren. Wenn man weiß, wie mit den Teilnehmern von Palästina-Demonstrationen zuletzt umgegangen wurde, begreift man auch, was das bedeutet. Ach ja, und auf Autobahnen sollte man möglichst auch nicht mehr fahren. "Einsatz von automatisierten Kennzeichenlesesystemen im Aufzeichnungsmodus"? Das ist, was jede Mautbrücke macht. Und im ersten Satz nach diesem Absatz steht dann gleich:
"Den Datenaustausch unter den Sicherheitsbehörden (insbesondere P20, Verbundspeicherung) sowie mit zivilen Behörden verbessern wir grundlegend."
Lebe wohl, Datenschutz, kann man da nur sagen. Und nachdem auch eine "Novellierung des Rechts der Nachrichtendienste des Bundes" angekündigt wird und die letzte Novellierung des Bundesverfassungsschutzgesetzes schon ein bürgerrechtlicher Albtraum war (ich erinnere nur an "wir rufen an"), ist klar, dass die juristischen Untaten der Frau Faeser nur der Einstieg sein sollen.
Übrigens gibt es einen Abschnitt, der nur teilweise so gemeint sein kann, wie er klingt. Alles, was von Soros, Gates und den sonstigen üblichen Verdächtigen finanziert wird, ist sicher nicht damit gemeint:
"Mit Vereinen und Verbänden, die von ausländischen Regierungen oder mit ihnen verbundenen Organisationen gesteuert werden und die beziehungsweise deren Mitglieder oder Strukturen von Verfassungsschutzämtern beobachtet werden, wird es keine Zusammenarbeit geben. Wir führen eine Pflicht zur Offenlegung der Finanzierung dieser Vereine und Verbände ein und überwachen diese."
Wäre ja interessant, wenn beispielsweise eine Finanzierung durch die EU oder eben durch die oben erwähnten Stiftungen zu einer Offenlegungspflicht führte. Aber die aktuelle US-Regierung arbeitet mit Soros beispielsweise gerade nicht zusammen, das liefert in diesem Zusammenhang eine hübsche Ausrede.
Und was die Meinungsfreiheit angeht? Da gibt es hier einen schönen Vorgeschmack:
"Gezielte Einflussnahme auf Wahlen sowie inzwischen alltägliche Desinformation und Fake News sind ernste Bedrohungen für unsere Demokratie, ihre Institutionen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt."
Es geht alles so weiter wie gehabt? Nein, es wird schlimmer. "Eine verschärfte Haftung" von Online-Plattformen, die Medienaufsicht soll "gegen Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen können", die europarechtliche Zensurbestimmung, der Digital Services Act, soll "weiterentwickelt" werden. Journalisten jedoch – damit sind natürlich nur die der Leitmedien gemeint – sollen ihre Adresse im Melderegister sperren lassen können.
Die spätestens mit Amtsantritt der Ampel einsetzende Aufweichung des Unterschieds zwischen Wort und Tat wird weiter fortgesetzt; ein besonders extremes Beispiel findet sich im Abschnitt Migration, bei den Sachverhalten, die eine Regelausweisung zur Folge haben sollen:
"Dies gilt insbesondere bei Straftaten gegen Leib und Leben, gegen die sexuelle Selbstbestimmung, bei Volksverhetzung, bei antisemitisch motivierten Straftaten sowie bei Widerstand und einem tätlichen Angriff gegen Vollstreckungsbeamte."
Es wäre ein Kennzeichen eines Rechtsstaats, das Rufen der Losung "From the River to the Sea" nicht mit Vergewaltigung oder Mord gleichzusetzen. Aber derart banale Verstöße gegen die vorgegebene Meinung können sich hinter "antisemitisch motivierten Straftaten" verbergen, und mit "Volksverhetzung" hatte man in den letzten Jahren schon viel Spaß. Wenn man sich ansieht, wie in den letzten Monaten verfahren wurde – im echten Leben wird eher ein Palästinenser in den genozidalen Bombenhagel auf Gaza zurückgeschickt als ein afghanischer Messerstecher oder ein eritreischer Vergewaltiger in seine Heimat. Das ist nicht nur eine Aufweichung der für das Recht entscheidenden Linie zwischen Wort und Tat, das ist geradewegs ihre Umkehrung.
Nicht, dass die Deutschen dabei besser wegkommen werden. Das Kronjuwel der Angriffe auf die Bürgerrechte findet sich nämlich hier (auch wenn das vorab bereits teilweise angekündigt wurde):
"Im Rahmen der Resilienzstärkung unserer Demokratie regeln wir den Entzug des passiven Wahlrechts bei mehrfacher Verurteilung wegen Volksverhetzung. Wir wollen Terrorismus, Antisemitismus, Hass und Hetze noch intensiver bekämpfen und dazu insbesondere den Tatbestand der Volksverhetzung verschärfen."
Woran erkennt man Feinde der Demokratie? An unscharfen Rechtsbegriffen. "Hass und Hetze" beispielsweise. Der §130 Strafgesetzbuch hat in den letzten Jahren eine immer größere Rolle gespielt, und die Anlässe für seine Anwendung wurden immer banaler. Meinungsäußerungen in sozialen Medien beispielsweise. In der Praxis spielte das eigentlich begrenzende Kriterium "geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören" schon lang keine Rolle mehr; der "öffentliche Frieden" verwandelte sich in ein höchst ätherisches, flüchtiges Wesen, das beim leisesten Widerwort entschwindet. Man möchte sich gar nicht ausmalen, was herauskommt, wenn dieser Paragraf weiter verschärft wird.
Und dann diese hübsche Nummer mit dem passiven Wahlrecht. Die erklärt, warum im ganzen Vertrag zwar die Brandmauer mit Drahtverhau und Minengürtel versehen wird, aber nirgends von einem AfD-Verbot die Rede ist. So, wie die Regierungsparteien die russische Gefahr und die Kriegstüchtigkeit predigen, wären sie im Stande, das Wort "Frieden" selbst schon zur Volksverhetzung zu erklären. Oder jede Aussprache des Wortes "Russland" ohne den gebotenen Schaum vor dem Mund.
Man wird es sehen – diese Rechtsänderung dürfte sehr schnell erfolgen und sehr weit gehen. Das ist nämlich der Joker im Spiel gegen die AfD, der desto dringlicher gezogen werden muss, weil die Umfragewerte inzwischen über jene der CDU geklettert sind. Zweimal wegen Volksverhetzung verurteilt? Wenn der ganze NGO-Sumpf weiter finanziert wird, ist es kein Aufwand, das nötige Personal zur Überwachung aller sozialen Medien zu bekommen. Damit wäre das Problem vom Tisch, dass ein Verbotsverfahren vor dem Verfassungsgericht mehrere Jahre in Anspruch nimmt. Je mehr mögliche Aussagen verboten werden, desto mehr mögliche Kandidaten können schon vorab ausgeschlossen werden. Und so, wie die Koalition drauf ist (die allein mit dieser Regelung die letzte Linie einer Demokratie weit überschritten hat), werden sie auch noch einen Weg finden, im Zusammenhang mit diesen gar erschröcklichen Straftaten dafür zu sorgen, dass die Strafen in Kraft treten, ehe ein letztinstanzliches Urteil gefällt ist ...
Das ist der GAU für die demokratischen Rechte der Deutschen. Faeser ist man ja vielleicht los, als Bundesministerin. Aber es wird weiter gefaesert, sogar mit erhöhter Kraft.
Mehr zum Thema –
Quelle:
Der Koalitionsvertrag: Deindustrialisierung, vielleicht ein bisschen langsamer (Teil III)
13 Apr. 2025
Es hatte sich schon mit der Aufnahme der "Klimaneutralität" ins Grundgesetz abgezeichnet – wirkliche Einsichten sind von der MiniKo nicht zu erwarten. Und genau das bestätigt sich auch bei den wirtschaftspolitischen Aussagen des Koalitionsvertrags.
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Symbolbild: Die Überreste eines stillgelegten Hochofens in Dortmund-Hoerde, 2012 - Quelle: © Werner Otto/face to face
Von Dagmar Henn
Im Bereich Wirtschaft kann man sich nur verwundert die Augen reiben – eine realistische Sicht auf die strategische Lage ist nicht zu finden. Dazu sollte man vielleicht erst die grundlegenden Umstände skizzieren.
Die Frage einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung ist nach wie vor nicht gelöst; die Probleme, die in den vergangenen Jahren eine ganze Abwanderungs- und Schließungswelle ausgelöst haben, müssten von einer verantwortlichen Regierung angegangen werden. Gleiches gilt für die in manchen Bereichen tatsächlich fehlenden Arbeitskräfte; hier sind die entscheidenen Fragen vielfach (in Pflege oder in der Logistik) ungenügende Ausbildungsbereitschaft und zu schlechte Bezahlung. Natürlich wirkt bei den meisten arbeitskraftbezogenen Fragen auch die Wohnungsproblematik mit, zu hohe Mieten oder teils sogar gar nicht verfügbare Wohnungen.
Die seit mehr als zwei Jahrzehnten sehr stark exportorientierte Industrie läuft gerade Gefahr, in den Handelsauseinandersetzungen zwischen den USA und China zwischen die Fronten zu geraten; nachdem Russland als Exportmarkt bereits verloren ist und die USA, wie erfolgreich auch immer, unter Präsident Donald Trump auf eine Rückholung industrieller Produktion setzen, würde ein politisch bedingter Verlust Chinas die Absatzmöglichkeiten auf den europäischen Binnenmarkt beschränken. Der aber ist, wenn man die zunehmende Fragilität der EU betrachtet, ebenfalls nicht dauerhaft gesichert, und man kann nicht davon ausgehen, dass die europäischen Nachbarn, wenn ihre eigene Wirtschaft in der Krise steckt, sonderlich Wert darauf legen, die deutsche Industrie der eigenen vorzuziehen.
Eine Abkehr von der Exportorientierung, also eine Kräftigung des deutschen Binnenmarkts, könnte das zumindest teilweise abfangen. Aber die zu geringen Lohnsteigerungen der letzten 30 Jahre haben diesen Binnenmarkt weitgehend ausgetrocknet; die Automobilindustrie beispielsweise sieht sich gerade bei den Jüngeren einem fallenden Anteil von Führerscheinbesitzern gegenüber; jene, die sich schon die Finanzierung des Führerscheins nicht leisten können, fallen auch als Kunden für die Automobilindustrie aus. Derartige selbst geschaffene Engpässe gibt es an vielen verschiedenen Punkten; eine Wiederbelebung des Binnenmarkts hätte also teilweise Voraussetzungen, die über die Erhöhung der Löhne hinausgehen.
Der Koalitionsvertrag ist von jeglicher Einsicht in diesem Bereich weit entfernt.
"Wir bleiben eine offene und international orientierte Volkswirtschaft, stärken den europäischen Binnenmarkt, schließen neue Handelspartnerschaften und sichern unsere Lieferketten ab."
Das mit den Lieferketten kann man getrost vergessen, wenn die Haltung gegen China weiter fortgesetzt wird. Und diese Formulierung ist eine Absage an eine Stärkung des deutschen Binnenmarkts, wenn auch verklausuliert.
Es sollen "durch strukturelle Reformen Wachstumskräfte" freigesetzt und der Wohlstand für alle gemehrt werden.
"Hierzu werden wir unter anderem Investitionen, Innovationen und Wettbewerb fördern, Steuern, Abgaben und Energiepreise senken, Arbeitsanreize verbessern, die Dekarbonisierung unterstützen, Bürokratie zurückbauen und eine aktive Handelspolitik betreiben."
Energiepreise senken und Dekarbonisierung unterstützen? Da wird kein Schuh draus. Denn die "Dekarbonisierung" bliebe, selbst wenn es den Verlust günstiger russischer Rohstoffe nicht gäbe, ein Preistreiber bei der Energie.
"Wir etablieren Deutschland als KI-Nation. Das bedeutet massive Investitionen in die Cloud- und KI-Infrastruktur sowie in die Verbindung von KI und Robotik."
Super. Wenn man sich nicht an chinesische Modelle hält, die etwas weniger Energie verbrauchen, sind KIs Energiefresser. Ohne eine grundsätzliche Stabilisierung der Energieversorgung wird das nichts. Außerdem sollte man dabei berücksichtigen, dass vielfach das zeit- und arbeitskraftaufwendige Training einer KI in Ländern wie Indien erfolgt, was auch bedeutet, dass der Arbeitsplatzeffekt dort, wo die Rechneranlage physisch steht, gering ist und damit selbst die Löhne, die in diesem Bereich anfallen, nicht in den deutschen Binnenmarkt fließen.
Robotik ist ein Bereich, in dem die deutsche Position noch ziemlich gut ist, das wäre also tatsächlich sinnvoll. Da liegt das Problem eher darin, dass ein noch ausgeprägterer Einsatz in der verbliebenen Industrie sozial zu zerstörerische Folgen hätte und den deutschen Binnenmarkt noch weiter schwächen würde – die existierenden Modelle vollautomatischer Fabriken, die Adidas schon vor Jahren gebaut hatte, haben sich seither nicht weiter verbreitet.
Die Hoffnungen ruhen auf Start-ups und Wagniskapital. Da muss man zumindest einmal anmerken, dass proportional der Bedarf für Risikokapital höher ist, weil die Kreditvergabe deutscher Banken weitaus restriktiver ist als in anderen Ländern; sprich, es wird schon Wagniskapital für Projekte benötigt, die andernorts von gewöhnlichen Geschäftsbanken finanziert werden. Aber das Problem auch für Start-ups ist der Binnenmarkt. Jede Ware braucht Käufer, und je schwächer der Binnenmarkt ist, desto schwerer wird es, ebendiese Käufer zu finden. Wenn es aber erforderlich ist, von vornherein andere Märkte ins Visier zu nehmen, dann wäre es einfacher, gleich an anderem Ort anzufangen.
Die Klimaideologie wird mehr oder weniger vollumfänglich fortgesetzt. Da soll "Wasserstoffwirtschaft" betrieben werden – dabei hat schon die Erzeugung von Wasserstoff das Problem, dass für einen Liter Wasserstoff neun Liter Wasser benötigt werden; der Leitungstransport von Wasserstoff hat weit schwierigere Voraussetzungen als der Transport von Erdgas, weil das Molekül deutlich kleiner ist. "Das Wasserstoffkernnetz muss deutschlandweit die industriellen Zentren anbinden, auch im Süden und Osten Deutschlands." Na, dann viel Spaß. Das riecht eher nach Infrastrukturinvestitionen ohne praktischen Nutzen, ähnlich wie die von der Ampel gebauten LNG-Terminals.
"Die Abwanderung energieintensiver Unternehmen aufgrund unterschiedlicher Klimaschutzstandards (Carbon Leakage) wollen wir verhindern."
Das geht nur auf eine Art und Weise – indem man diese Klimaanforderungen in die Tonne tritt. Aber genau dazu ist diese Koalition nicht bereit; schließlich wurde gerade erst die Klimaneutralität bis 2045 ins Grundgesetz geschrieben. Das bedeutet, ganz nebenbei, dass jeder Umweltverein XY (also so was wie die Lobbytruppe Deutsche Umwelthilfe) ganz entspannt Maßnahmen, die "Klimaschutzstandards" auf wettbewerbstaugliches Niveau zu senken, gerichtlich torpedieren kann.
"Wir wollen CBAM unbürokratischer und effizienter machen. (...) Sollte ein effektiver Carbon Leakage-Schutz über den CBAM nicht gelingen, werden wir die Wettbewerbsfähigkeit für exportorientierte Branchen weiterhin über die kostenfreie Zuteilung von Zertifikaten regeln."
Wie praktisch, dass diesen Absatz kaum jemand versteht. CBAM, das ist das Kürzel für den Karbonzoll, den die EU eingeführt hat. Der aber natürlich allerlei importierte Rohstoffe verteuert, die in Deutschland weiterverarbeitet werden. Und die Lösung? Subventionen aus Steuermitteln, so, wie bei den Energiepreisen auch (in dem Fall etwas besser verdeckt, weil die "kostenfreie Zuteilung" ein Verzicht auf Einnahmen ist. Und ob das dann beihilferechtlich gut geht?). Dumm nur, dass die zur Verfügung stehenden Steuermittel durch das Einkommen der Bevölkerung ziemlich eng begrenzt sind; schließlich ist die Umsatzsteuer schon lange der größte Brocken der Steuereinnahmen, was aber die Finanzkraft des Staates zu einem abgeleiteten Wert ausgerechnet des ausgedörrten Binnenmarkts macht ...
"Die Stahlindustrie ist von zentraler strategischer Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wir werden sie erhalten und zukunftsfähig machen und sie bei ihrer Umstellung der Produktionsprozesse auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützen."
Nun, auch hier wieder: Unter diesen Bedingungen ist eine Erhaltung nur mit massiven Subventionen möglich. Denn wie man es dreht und wendet, die Erzeugung von Stahl wird ein energieintensiver Vorgang bleiben. Das ist durch die physikalischen und chemischen Prozesse bei der Umwandlung vom Eisenerz zum Stahl vorgegeben.
"Wir werden Deutschland zum weltweit innovativsten Chemie-, Pharma- und Biotechnologiestandort machen."
Pharma und Biotechnologie, das könnte vielleicht funktionieren. Chemie? Noch einmal energieintensive großtechnische Anlagen, und der Abwanderungsprozess der chemischen Industrie ist bereits voll im Gange. Wird dieser Zustand irgendwo erwähnt? Seine Ursachen?
Aber kommen wir zum Kern der Industriepolitik, der Automobilindustrie. Hier gibt es ein klein wenig Einsicht – Strafzahlungen wegen der Flottengrenzwerte sollen abgewehrt werden, und man will sich etwas mehr Zeit für die Umstellung der Lkw-Flotte auf Elektro geben (die bis heute noch nicht funktioniert). Doch die Ausrichtung auf Elektromobilität bleibt bestehen; die Aussage zum Stichpunkt Ladeinfrastruktur ist jedoch vorsichtshalber vage:
"Den flächendeckenden Ausbau von Pkw- und Lkw-Ladeinfrastruktur treiben wir voran und erhöhen die Förderung."
Im Koalitionsvertrag der Ampel waren vollmundig eine Million Ladestationen versprochen worden. Insgesamt wurden jedoch nur 161.700 errichtet, also nur 16,1 Prozent. Schon an diesem Punkt ist die ganze E-Auto-Fantasie völlig unrealistisch. Aber die MiniKo steht mit Rechnen und Physik ebenso auf Kriegsfuß wie die Ampel. Mit anderen Wunschvorstellungen sieht das nicht anders aus: "Wir machen Deutschland zum Leitmarkt für autonomes Fahren und werden mit den Ländern Modellregionen entwickeln und mitfinanzieren." Da müsste zuerst das Datennetz überall verfügbar und bis zur nötigen Belastbarkeit ausgebaut sein. Nicht umsonst hat VW seine Forschungsabteilung in diesem Bereich nach China verlegt.
"Wir stehen für eine konsequente Ausrichtung aller [Energie-]Bereiche auf Bezahlbarkeit, Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit."
Wir erinnern uns an die Pläne der Energieagentur, man solle doch industrielle Produktion dann anschalten, wenn Wind und Sonne genug Strom liefern ... Klar war das auf der einen Seite ein Beleg für das völlige Fehlen jeder Ahnung von Industrieproduktion, aber auf der anderen Seite bildete es das ab, was auf der angestrebten Grundlage möglich ist – jedenfalls keine kostensichere Energieversorgung für die Industrie. Und die Vorstellung, dann eben in allen möglichen Bereichen diese Kosten wieder durch Subventionen zu senken, die sich wie ein roter Faden durch den Koalitionsvertrag zieht, ist volkswirtschaftlich eine Illusion, weil sie nur Geld von der einen in die andere Tasche befördert, also nur die Adresse jener ändert, die für die Kosten aufkommen müssen, aber die Entstehung dieser – völlig unnötigen – Kosten nicht beeinflusst.
Ja, kleine Ansätze von Vernunft lassen sich finden. Die Stromsteuer soll gesenkt werden. Auch im Bereich Luftverkehr wird das gestrichen, was über die EU-Anforderungen hinausgeht. Und in Bezug auf die Gebäudeenergievorgaben findet zumindest das statt, was längst hätte passieren müssen: "Die nationalen Gebäudeeffizienzklassen im GEG werden wir mit unseren Nachbarländern harmonisieren." Wenn man das konsequent umsetzen würde, könnte man sich auch eine Nachfolge für das Heizgesetz ganz schenken – die Anforderungen an die Gesamtmenge der Gebäude erfüllt Deutschland nämlich schon längst. Aber da steht natürlich die "Klimaneutralität" im Weg.
Wenn die letzten Jahre eines gezeigt haben, dann, dass alles Gerede von "Resilienz" bezogen auf die Wirtschaft leeres Geschwätz bleibt, sofern nicht der Binnenmarkt wiederbelebt wird. Damit würden sich die Probleme bei der Renten- wie der Krankenversicherung übrigens gleich mit erledigen. Aber nirgends in dem Papier ist zu lesen, dass der Zusammenhang zwischen Arbeitseinkommen, Binnenmarkt und Sozialversicherungen sowie das Risiko einer extrem exportorientierten Wirtschaft überhaupt verstanden wird, und geopolitisch wird weiter alles getan, um die deutsche Industrie zu schrotten. Nun, da wird geliefert, was erwartet werden konnte: Ampel light.
Mehr zum Thema –
Quelle:
Der Koalitionsvertrag: Aberglauben rund um den Amtsschimmel (Teil IV)
14 Apr. 2025
Gibt es eigentlich noch irgendjemanden, der nicht behauptet, er wolle die Bürokratie verringern? Vermutlich gibt es dieses Versprechen, seit der erste sumerische Schreiber seine Keilschrift in Lehm gedrückt hat. Die MiniKo ist da nicht besser.
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Symbolbild - © Immanuel Giel, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons
Von Dagmar Henn
Man wolle "Bürokratie umfassend zurückbauen", heißt es schon weit vorne im Koalitionsvertrag, und das Motiv wiederholt sich immer wieder. Als Versprechen zumindest. Nur dürfte eine Realisierung eher nicht zu erwarten sein.
Eine Nebenwirkung der neoliberalen Politik, bei der alles ausgegründet, privatisiert oder mindestens zur doppelten Buchhaltung verpflichtet wurde, ist ein enormes Wachstum des Verwaltungsaufwands. Wenn durch eine Straße drei Paketdienste fahren statt einem, kann sich unter Umständen der zusätzliche Aufwand an Fahrern und Fahrzeugen noch in Grenzen halten, weil dafür die Aufenthalte entlang der Strecke weniger werden ‒ aber es braucht auf jeden Fall dreimal so viele Buchhalter.
Die Umstellung der kommunalen Verwaltungen auf die doppelte Buchführung, die vor etwa zehn Jahren abgeschlossen wurde, verpflichtet dazu, das gesamte Inventar einmal jährlich zu zählen, damit es in die Bilanz eingehen kann. In einer Stadt wie München wären das allein für das Zählen des Mobiliars der über 350 Schulen zwei Vollzeitstellen, die nichts anderes mehr täten. Und jede neue Untergliederung, jede ausgegliederte Firma, all die unzähligen Partikel, in die auch große Konzerne zergliedert wurden, müssen den vollen buchhalterischen Aufwand betreiben, damit ihre einzelnen Teile dann in einer konsolidierten Konzernbilanz zusammengeführt werden können. Auch wenn die eigentliche Aufgabe mit einer simplen Bedarfsmeldung erfüllt werden könnte.
Immerhin wurde mehrere Jahrzehnte lang eingehämmert, privatwirtschaftliche Strukturen und eine privatwirtschaftliche Rechnungslegung seien viel effizienter und schüfen unzählige Möglichkeiten, Geld zu sparen, Steuergelder insbesondere. Das täuscht allerdings. Noch schlimmer wird es dann, wenn der Staat zum Lückenbüßer wird. Der volkswirtschaftliche Hauptunterschied zwischen ausreichenden Löhnen und durch Sozialleistungen aufgestockten ist nicht der Betrag, es ist der Verwaltungsaufwand. Begründet wird das natürlich mit der Notwendigkeit, dem Steuerzahler gegenüber Rechenschaft über die Verwendung der Mittel abzulegen. Das ändert aber nichts an der Grundfrage, dass jedes zusätzliche Kontrollbedürfnis einen Kontrollaufwand erzeugt.
Rein hypothetisch könnte man auch Privatleute wie Firmen anweisen, monatlich einen Bericht über die Zahl der vorhandenen Briefklammern einzureichen, und im Falle einer Veränderung dieser Zahl eine ausführliche schriftliche Begründung beizulegen, warum sie sich verändert hat. Nicht jeder Kontrollaufwand ist sinnvoll. Und noch weniger erweist sich jeder Kontrollaufwand als Gewinn. Ja, Steuerfahnder bringen einen guten Ertrag, weil sie hinter dicken Fischen her sind. Bei einem seit Jahren bestehenden gemeinnützigen Verein die Buchhaltung jährlich auf Belegebene zu prüfen ist in der Regel einfach eine Verschwendung von Arbeitszeit.
Wenn es um Versprechungen geht, Bürokratie zurückzubauen, muss man sehr genau aufpassen, wo von wie viel Kontrolle die Rede ist. Berichterstattung zur Ermittlung des Kohlendioxidausstoßes macht zwar Sinn, wenn der Schornsteinfeger den Kamin überprüft, aber man muss klimagläubig sein, um darin bezogen auf die Industrieproduktion überhaupt einen Sinn zu erkennen. Eigentlich kann man da auch die Frequenz von Ave Marias auf den Herrentoiletten messen.
Aber schauen wir mal aufs Detail.
"Um Bürokratie zu reduzieren, prüfen wir eine Gründerschutzzone und wollen notarielle Vorgänge vereinfachen und digitale Beurkundungsprozesse sowie den automatischen Datenaustausch zwischen Notariat, Finanzamt und Gewerbeamt ermöglichen."
Früher fing ein Unternehmen meist als Einzelunternehmer oder Personengesellschaft an, da braucht es keinen Notar. Den braucht man nur, wenn man eine juristische Person schaffen will, gleich, ob GmbH, SE oder AG. Aber digitale Beurkundungsprozesse? Wie werden die besagten Urkunden dann aufbewahrt, um fälschungssicher zu sein? Wer ist dafür zuständig, die Transfers zwischen unterschiedlichen Versionen zu sichern? Grundbücher werden beispielsweise über Jahrzehnte fortgeführt, aber nach wie vor gibt es zwar Identifikationen, um auf Netzwerke zuzugreifen, aber keine Norm für fälschungssichere digitale Dokumente.
Aber schon dieser kurze Abschnitt kann für ziemlich viel Ärger sorgen ‒ weil das Gewerbeamt kommunal ist und auch die Daten für die kommunale Einnahme Gewerbesteuer erfasst, das Finanzamt aber Landesbehörde ist, die auch im Bundesauftrag arbeitet. Und die deutschen Kommunen haben mitnichten einen einheitlichen Standard in ihren Bearbeitungsprozessen. Das macht schon allein aufgrund der extremen Größenunterschiede keinen Sinn. Und das soll mal schnell in einen einheitlichen Prozess überführt werden, der in einem Schritt abgewickelt werden kann? Das klingt nett, aber in Wirklichkeit sorgt das erst einmal für eines ‒ für viele, viele gemeinsame Sitzungen der unterschiedlichen Ebenen quer durch die ganze Republik, um zu prüfen, ob das überhaupt machbar ist... Ja, das Ziel mag zwar sein, die für den Anmelder sichtbare Bürokratie zu verringern, aber weil zusätzliche Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Behörden benötigt werden, ist das tatsächliche Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Bürokratie.
Die Arbeitsgenehmigungen für qualifizierte Fachkräfte sollen beschleunigt werden, ebenso wie die Anerkennung von Berufsabschlüssen. Ein Problem, das schon seit Jahrzehnten bekannt ist. Auch die Ampelkoalition versprach, die Anerkennung von Berufsabschlüssen zu beschleunigen. Bewegt hat sich wenig. Das Thema verursacht Alpträume, weil nach wie vor nicht einmal in der EU die wechselseitige Anerkennung universitärer Abschlüsse wirklich funktioniert. Und Deutschland war da immer Spitzenreiter ‒ immerhin hat man es hier geschafft, die Berufsabschlüsse der DDR in der BRD nicht anzuerkennen. Dabei musste da noch nicht einmal ein Dokument übersetzt werden.
"Wir werden ein sofortiges Moratorium von mindestens zwei Jahren für alle neuen rechtlichen Statistikpflichten erlassen."
Dieses Versprechen dürfte genau bis zum nächsten EU-Gipfel halten, auf dem mal wieder Neues zum Klimaschutz oder zur Gleichstellung verabschiedet wird. Die EU ist die große Maschine zur Erzeugung bürokratischer Anforderungen. Im Koalitionsvertrag steht zwar, man wolle an jenen Stellen diese Anforderungen zurückfahren, an denen Deutschland sie übererfüllt, aber es steht nirgends, man wolle aktiv in Brüssel dafür sorgen, dass größere Teile dieser Anforderungen wieder verschwinden. Die Metzger müssen weiter die Innentemperatur der Wurst im Räucherofen messen.
Die Einfuhrumsatzsteuer soll "auf ein Verrechnungsmodell" umgestellt werden. Nette Idee, aber früher waren weit öfter für kleine Firmen vierteljährliche oder gar jährliche Umsatzsteuermeldungen möglich. An diesem, weitaus wichtigeren, Punkt ändert sich gar nichts.
Ach ja, und das hier ist ein schönes Beispiel für das genaue Gegenteil:
"Die Förderpolitik der Bundesregierung wird einer Konsolidierung unterzogen. Die Programme müssen in einem Fördercontrolling überwacht werden. Neue Programme müssen konsequent an Leistungsindikatoren und Kriterien, wie in den subventionspolitischen Leitlinien festgehalten, ausgerichtet werden."
Da stecken schon Reizworte drin, die man nur erkennt, wenn man die Geheimsprache kennt. Konsolidierung bedeutet, es soll eingespart werden. Fördercontrolling heißt, die Anforderungen an die Abrechnung (und üblicherweise schon an die Antragstellung) werden weiter heraufgesetzt. Nun, Förderanträge können eine eklige Papierschlacht sein (wobei EU-Förderanträge noch einmal eine ganz eigene Kategorie sind), und das Stichwort "Leistungsindikatoren" deutet eine Berichtspflicht während der Fördermaßnahme an. Weil es natürlich nett ist, am Ende viele hübsche Zahlen zu haben, mit denen man mehr oder weniger glaubwürdig die Wirksamkeit der Förderung belegen kann. Aber im echten Leben lautet das Ergebnis auf jeden Fall: mehr Bürokratie.
Ja, und dann ist da der große Brocken Sozialverwaltung. Und der verräterische Satz, "die Transferentzugsraten in den unterschiedlichen Leistungssystemen besser aufeinander abzustimmen". Das System wird also wieder auf Einsparung durch Verweigerung geeicht. Und zwar nicht nur in der Grundsicherung, welchen Namen die Herrschaften ihr auch immer zukünftig verpassen sollten, sondern zusätzlich in noch unbenannten weiteren Systemen. Also was? Wem Arbeitslosengeld verweigert wird, der bekommt auch kein Wohngeld? Auf jeden Fall ist die erforderliche Überwachung ein Auslöser für bürokratischen Aufwand, und da sich in der Regel die meisten Bezieher nicht einmal in den Augen der MiniKo etwas zu Schulden kommen lassen, ein nur fiskalisch begründeter Aufwand in vielen Fällen, um bei wenigen sparen zu können, der aber von den sinnvolleren Teilen der Bearbeitung abgeht.
Auch ein schönes Beispiel: "Wir erhöhen den Teilhabebetrag des Bildungs- und Teilhabepakets von 15 auf 20 Euro." Dieses Paket ist ein Erbe von Ursula von der Leyen in ihrer Zeit als Familienministerin. Mit der Begründung, arme Eltern würden ihren Kindern zusätzliche Mittel nicht zukommen lassen, weil sie sie vertrinken oder in Qualm verwandeln würden, führte sie ein irrwitzig aufwendiges Verfahren ein, nach dem die Kinder dann einen Zuschuss für Sportverein oder Musikschule erhalten konnten. Bis heute hat niemand berechnet, wie viele Monate oder Jahre Arbeitszeit die Abwicklung dieser Anträge ausgelöst hat. Aber es gibt einen alten Wert, Pi mal Daumen, der die Kosten für ein einziges behördliches Schreiben bei 20 Euro ansetzt. Was auf den ersten Blick schon nahelegt, dass die Verwaltung dieses Bildungs- und Teilhabepakets mehr Kosten auslöst, als überhaupt Mittel die Betroffenen erreichen, was die Haushaltsdaten auch bestätigten. Ein typisches Ergebnis von Ursula von der Leyen übrigens, ihre politische Karriere strotzt vor solchen Errungenschaften.
Und dann dieser hübsche Satz, im Zusammenhang mit der Grundsicherung: "Dort, wo unverhältnismäßig hohe Kosten für Unterkunft vorliegen, entfällt die Karenzzeit." Gleichzeitig sollen Leistungen pauschaliert werden, was vermutlich auch auf die Kosten der Unterkunft zutrifft.
Tja, und nun denke man sich eine Familie mit Kindern (ja, die gibt es noch), die durch eine Kündigung auf einmal ins ALG II/Bürgergeld oder so fällt. Die befindet sich mit Sicherheit in einer Wohnung, die zu teuer ist. Aber Wohnungen, die so wenig kosten, dass man sie problemlos mieten kann, gibt es bestenfalls in einem Weiler in einem Funkloch in Mecklenburg-Vorpommern. Wenn aber besagte Familie die Wohnung verliert und obdachlos wird, fallen Kosten für die stationäre Unterbringung der Kinder an. Da reden wir mal entspannt von 5.000 Euro pro Nase und Monat oder mehr. Die ganze Nummer macht also selbst fiskalisch nur begrenzt Sinn. Notunterkünfte sind übrigens in der Regel schreckliche und beengte Orte, um zu leben, aber sie sind dennoch nicht billiger als normaler Wohnraum...
Aber wir reden ja von Bürokratie. Man kann die Augen schließen und sich vorstellen, in welche Flut von Anträgen sich die Variante Obdachlosigkeit verwandelt, verglichen mit der "unverhältnismäßig hohen" Miete. Nicht zu vergessen das Betreuungspersonal, das auch noch gebraucht wird. Das dann wiederum überwiegend von freien Trägern kommt, die mit Steuermitteln finanziert sind, die sie beantragen und abrechnen müssen, und... je mehr Stellen beteiligt sind, desto größer wird dieser Aufwand. Aber in diesen Bereichen wird nun einmal gern so getan, als würde dies Geld sparen, während am oberen Ende der Nahrungskette ‒ ich sage nur: von der Leyen und ihr Handy.
Der schönste Satz im ganzen Bereich ist aber dieser: "Einen vollständigen Datenaustausch zwischen Sozial-, Finanz- und Sicherheitsbehörden werden wir ermöglichen." Die Begründung? "Großangelegter Sozialleistungsmissbrauch im Inland sowie durch im Ausland lebende Menschen muss beendet werden." Dabei denkt jeder gleich an ukrainische Flüchtlinge, die sich in mehreren Städten melden, aber dazu genügt eine zentrale Speicherung von Fingerabdrücken, sogar ohne nähere Daten... in Wirklichkeit ist das, was man gern als "Sozialleistungsmissbrauch im Ausland" abschaffen möchte, eher die Flucht deutscher Rentner vor der Altersarmut, die in Bulgarien oder der Türkei womöglich mit einem Betrag über die Runden kommen können, der in Deutschland vorne und hinten nicht reicht. Kaum anzunehmen, dass damit die Ukrainer ins Blickfeld geraten sind, die in Deutschland Geld abholen und dann mit dem Bus zurückfahren.
"Vollständiger Datenaustausch" ist angesichts der Datenfülle, über die die Sozialbehörden verfügen, wirklich unheimlich. Und auch hier: Wir reden von kommunalen, Landes- und Bundesbehörden, die da munter Daten hin- und herschieben sollen. Im Koalitionsvertrag ist in diesem Zusammenhang von Datenschutz nicht die Rede. Aber man kann Wetten abschließen: Sollte dieser "vollständige Datenaustausch" tatsächlich stattfinden, besteht der nächste Schritt darin, dass sich alle Behörden untereinander die verschiedensten Anfragen schicken, was man eigentlich noch alles erfassen könne. Und heraus kommt am Ende nicht nur ein gewaltiger Verlust an Persönlichkeitsrechten, ohne Benachrichtigung und Einsichtsrecht der Betroffenen, sondern ein wild wucherndes Datengestrüpp, das eines mit Sicherheit erreicht: noch mehr bürokratischen Aufwand zu schaffen. Keine Anforderung ohne Formular, das sollten die Politiker eigentlich wissen. Und wenn die Korinthenkacker wach sind, dann gibt es auch kein Formular ohne eine Buchungsnummer...
So sieht es aus mit der Bürokratie. Aber immerhin, wenn schon die Industrie den Bach runtergeht, irgendwoher muss das Wachstum ja kommen. Und wenn der Amtsschimmel weiter zulegt. Hauptsache, der Vorhang davor ist schön bunt und die Werbephrasen gefällig.
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Quelle:
"Wenn Unrecht Gesetz wird,wird Rebellion Pflicht."
Der Klartexter
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