07.05.2025, 12:41
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 07.05.2025, 12:49 von Klartexter.)
AfD-Parteirichter zum BfV-Gutachten: Es gibt keine gesetzliche Definition des Rechtsextremismus
7 Mai 2025
RT DE sprach mit dem Juristen und AfD-Parteirichter Dr. Michael Adam über die Hintergründe und mögliche Folgen der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem. Ihm zufolge verfolgt der Verfassungsschutz mit seinem Gutachten eine geheimdienstliche Zersetzungsstrategie.
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Frage: Das Innenministerium behauptet, der Bundesverfassungsschutz hat mit seinem Gutachten unabhängig von der Politik agiert. Ist diese Aussage glaubwürdig? Wenn nicht, was spricht für eine politische Vereinnahmung des Innengeheimdienstes?
Adam: Die Aussage ist einfach unwahr, weil das Bundesamt für Verfassungsschutz eine weisungsgebundene Behörde ist, die dem Innenministerium direkt untersteht. Selbst wenn bei der Erstellung des Gutachtens Frau Faeser nicht mitgewirkt haben sollte, war es ihre Pflicht, das Gutachten inhaltlich prüfen zu lassen, bevor das Ergebnis der Öffentlichkeit mitgeteilt wurde. Faeser hat zugegeben, diese Amtspflicht unterlassen zu haben.
Frage: Ist Rechtsextremismus überhaupt ein juristischer Begriff? Wenn ja, wo genau ist es normiert, dass Rechtsextremismus verboten oder verfassungswidrig ist? Wenn nein, worüber reden wir im Fall der "Einschätzung" des BA für Verfassungsschutz?
Adam: Es gibt keine gesetzliche Definition des Rechtsextremismus und "Rechtsextremismus" ist auch nicht verboten. Entscheidend ist für die Arbeit von politischen Parteien der Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz: Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Die AfD ist ganz offensichtlich nicht verfassungswidrig, weil sie in ihrem Programm sich eindeutig für die freiheitlich demokratische Grundordnung einsetzt und keiner der maßgeblichen Verantwortlichen in der Partei gegen diesen Verfassungsauftrag redet oder handelt.
Das gesamte "Gutachten" des Verfassungsschutzes genügt den Anforderungen des Grundgesetzes nicht. Aber ich nehme an, dass das der Verfassungsschutz selbst weiß. Und er arbeitet auch nicht auf einen Verbotsantrag gegen die AfD hin, sondern er will deren Wähler verunsichern und letztlich die Basis der AfD-Unterstützung zersetzen. Das ist die übliche Tätigkeit eines Geheimdienstes. Wir kennen das von der Staatssicherheit der früheren DDR.
Frage: Welche Rolle würde diese Einschätzung für eine Entscheidung des BVerfG über ein etwaiges Parteiverbot der AfD spielen? Könnte das "Gutachten", auf das sich der Verfassungsschutz nun beruft, in einem Verfahren vor dem Verfassungsschutz weiter geheim gehalten werden?
Adam: Wie bereits bemerkt, ist das "Gutachten" wenig geeignet, ein erfolgreiches Verbotsverfahren zu begründen. Zur Geheimhaltung: Die Einstufung des Gutachtens als "Nur für den Dienstgebrauch" stellt die geringste Geheimhaltungsstufe dar (darüber ist vertraulich, geheim, streng geheim). Ich gehe davon aus, dass das Gutachten demnächst veröffentlicht wird. Dann wird Faeser nicht mehr im Amt sein und der neue Innenminister wird einen unbelasteten Präsidenten beim Verfassungsschutz berufen.
Frage: Wie schätzen Sie heute die Erfolgsaussichten eines Parteiverbots der AfD ein?
Adam: Da ich nach wie vor einen hohen Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht habe, gehe ich davon aus, dass ein Verbotsantrag vor Gericht keine Aussicht auf Erfolg hat.
Frage: Sollte dies gelingen oder zumindest versucht werden, wäre das ein recht drastischer Schritt mit einer großen internationalen Reichweite.
Adam: Das ist korrekt. In der Klageschrift der AfD gegen die Hochstufung durch den Verfassungsschutz, die mir vorliegt, wurde daher auch völlig zu Recht sehr ausführlich zum Thema der europarechtlichen Implikationen der Handlungen des Verfassungsschutzes, wie etwa zum Schutzbereich der Meinungsfreiheit im Lichte der Europäischen Grundrechtecharta, vorgetragen. Mit einem Verbot der größten Oppositionspartei würde sich Deutschland letztlich einen Platz im "Pantheon der Schurkenstaaten" sichern. Ich denke, das wird eine neue Regierung nicht wollen.
Frage: Nun aber wieder zum Kern des Problems. Der Vorwurf des Rechtsextremismus wird von der Bundesministerin Nancy Faeser aus dem angeblich ethnischen Volksbegriff abgeleitet. Exklusiv war aber der Volksbegriff der AfD bekanntlich nie. Auslandsdeutsche, zum Beispiel Russlanddeutsche, die in die alte Heimat ihrer Vorfahren zurückwandern wollen, müssen ja auch heute noch ihre deutsche Abstammung belegen. Und auch Bekenntnis zum deutschen Volkstum noch obendrauf. Wie bewerten Sie vor diesem Hintergrund die Wertung des Bundesverfassungsschutzes, dass ein ethnischer Volksbegriff rechtsextremistisch sei und die Menschenwürde verletze?
Adam: Unser Grundgesetz kennt zwei Volksbegriffe: einmal den ethnischen Volksbegriff (Ethnos) und andererseits auch den staatsbürgerlichen Volksbegriff (Demos). Der ethnische Begriff wird nur benutzt, um einen Anspruch auf deutsche Staatsangehörigkeit zu definieren, nämlich einen Anspruch aufgrund von Abstammung (Art. 116 GG). Der Demos (Art. 20 GG) hingegen definiert das Staatsvolk, das sich aus allen Inhabern der deutschen Staatsbürgerschaft rekrutiert. Dieses Staatsvolk ist der Souverän. Alle Angehörigen des Staatsvolkes haben die gleichen Rechte. Das hat die AfD niemals infrage gestellt. Sie hat dazu, wegen der Falschberichterstattung des Verfassungsschutzes, sogar explizit Stellung bezogen. Und das wurde bereits von Gerichten, etwa dem Oberverwaltungsgericht Münster, in einem früheren Verfahren gegen den Verfassungsschutz, als ausreichende Klarstellung gewürdigt.
Der Verfassungsschutz will durch offensichtliche Falschbehauptungen den Eindruck erwecken, dass die AfD nur dem Ethnos huldigt und andere Staatsbürger infolgedessen als zweitklassig behandeln möchte. Dazu gibt es allerdings keine Belege, und das ist eben der Kern der Zersetzungsstrategie des Verfassungsschutzes.
Frage: Wenn die AfD ein positives Verhältnis zu Deutschland von einzubürgernden Ausländern verlangt, scheint dies unzumutbar zu sein.
Adam: Ob der Verfassungsschutz überdies meint, es sei verfassungswidrig, wenn man Deutschland nicht als Einwanderungsland anerkennt, nehme ich das zwar an, aber es fehlen mir dazu konkrete Belege aus Stellungnahmen des VS. Aber zur Klarstellung: Selbstverständlich ist es verfassungsgemäß, die Doktrin vom "Einwanderungsland Deutschland" für politisch falsch zu halten. Immerhin war die Ablehnung der Masseneinwanderung jahrzehntelang Regierungspolitik in Deutschland, etwa in der Ära von Helmut Kohl. Die AfD möchte einfach nur zu dieser Politik zurück, weil sie für unser Land besser ist.
Frage: Ob die AfD sich jetzt von jedem Bezug auf eine deutsche Abstammung abgrenzen muss?
Adam: Die AfD versteht sich schon immer als Rechtsstaatspartei. Im Rechtsstaat sind die vorhandenen Gesetze anzuerkennen und sie sind nicht irgendeiner Ideologie zu opfern. Die AfD bekennt sich zum Grundgesetz und wir erkennen die derzeitige Gesetzeslage im Staatsbürgerrecht an. Allerdings wollen wir wieder zurück zum alten Staatsbürgerschaftsrecht, also vor dem 1.1.2000. Das bedeutet unter anderem eben keinen automatischen Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft, nur weil man in Deutschland geboren ist und es bedeutet auch, dass es dann keine schnelle Einbürgerung mehr geben wird, weil wir die deutsche Staatsangehörigkeit achten und nicht verschleudern wollen.
Dr. Michael Adam ist Rechtsanwalt in Berlin, mit einem Schwerpunkt für Parteienrecht. Er ist Mitglied der AfD und hat als Parteirichter in einer großen Anzahl von Verfahren mitgewirkt, um entdeckte Verfassungsfeinde aus der Partei auszuschließen. Er ist zudem Vorsitzender des parteinahen Vereins "Christliche Alternative".
Quelle:
AfD verbieten oder nicht? Merz hat nun die Wahl
7 Mai 2025
Noch während der Koalitionsgespräche zwischen den einstigen Volksparteien CDU und SPD ergaben Umfragen, dass die populärste Partei in Deutschland die AfD ist. Der Verfassungsschutz stufte die Alternative für Deutschland jüngst als "gesichert rechtsextrem" ein – zu einem Parteiverbot ist es damit nur noch ein Schritt.
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Szenen der Ernennung des neuen Bundeskabinetts durch den Bundespräsidenten am 6. Mai 2025 im Schloss Bellevue in Berlin. Für ein Foto haben sich aufgestellt: Bundeskanzler Friedrich Merz, Vizekanzler Lars Klingbeil und der Chef im Auswärtigen Amt Johann Wadephul. - Quelle: © IMAGO/Frank Ossenbrink
Von Pjotr Akopow
Am Dienstag hat Friedrich Merz das Amt des Bundeskanzlers übernommen – der Bundestag hat im zweiten Anlauf für ihn gestimmt.
Der zehnte Bundeskanzler in der Geschichte Deutschlands wird eine weitere "große Koalition" anführen, die aus den beiden Hauptparteien des Landes – den Unionsparteien CDU/CSU und der SPD – besteht. Die Charakterisierung "Hauptparteien" (oder "Volksparteien", wie es in Deutschland heißt) ist jedoch bereits überholt: Die Christdemokraten und die Sozialdemokraten verlieren schon seit mehreren Jahren an Zuspruch.
Nach der Bundestagswahl im Februar errangen sie nur deshalb die Mehrheit der Parlamentssitze, weil zwei kleine Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten: die für den Bruch der bisherigen Koalition verantwortlichen Freien Demokraten und die neue Anti-Eliten-Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht". Auf deren Kosten gelang es CDU und SPD, eine wackelige Mehrheit im Bundestag zu erreichen, um eine Koalition zu bilden, die unter anderem Deutschland aufrüsten und "die Ukraine vor Russland retten" sollte.
Während der Koalitionsverhandlungen kam es jedoch zu einem bahnbrechenden Ereignis: Die "Alternative für Deutschland" (AfD) wurde die beliebteste Partei des Landes. Zum ersten Mal wurde sie in den Umfragen von mehr als einem Viertel der Wahlberechtigten unterstützt, während die CDU zwei Punkte zurückliegt (die SPD verzeichnete rund 15 Prozent). Obwohl die nächsten Wahlen erst in vier Jahren stattfinden werden (es sei denn, die Koalition zerbricht schon vorher), konnte das Establishment dies nicht außer Acht lassen.
Ende letzter Woche wurde die AfD als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft. Mit anderen Worten: Die AfD ist nur noch einen Schritt von einem Parteiverbot entfernt. Und das wurde ganz gezielt am Vorabend der Wahl des neuen Kanzlers gemacht – quasi als Abschiedsgruß der Scholz-Regierung. Zwar ist der Altkanzler selbst gegen ein sofortiges Parteiverbot, aber die AfD-"Etikettierung" wurde von seiner Parteikollegin Nancy Faeser, der bisherigen Chefin des Bundesinnenministeriums, angekündigt. Damit steht der neuen Regierung als wichtigste Opposition eine Partei gegenüber, die man auch verbieten kann. Das ist ein sehr interessantes politisches System, und vor allem ein absolut "demokratisches".
Auch wenn es auf der Ebene der Länderregierungen bereits Aufrufe zum Verbot der AfD gab, wird dies von den Bundesbehörden definitiv nicht in Angriff genommen: Ein solcher Schritt wäre zu offenkundig antidemokratisch. Ja, auf dem Weg zum Parteiverbot müssen noch einige Maßnahmen ergriffen werden, einschließlich einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, aber nicht das wird Merz davon abhalten. Und auch nicht ein Streit mit den USA – schließlich wurde in Washington die Dämonisierung der AfD bereits verurteilt, und US-Vizepräsident Vance schrieb sogar:
"Die AfD ist die populärste Partei in Deutschland und bei weitem die repräsentativste Partei in Ostdeutschland: Jetzt versuchen die Bürokraten, sie zu eliminieren. Wir im Westen haben gemeinsam die Berliner Mauer zu Fall gebracht. Und sie ist wieder aufgebaut worden – nicht von der Sowjetunion oder den Russen, sondern vom deutschen Establishment."
In der Tat belaufen sich die Umfragewerte für die AfD in den Bundesländern Ostdeutschlands auf bis zu 40 Prozent, und ein Parteiverbot würde nicht nur zu einer weiteren Spaltung zwischen West und Ost führen, sondern auch zu einem Anstieg des realen, nicht nur des imaginären, Radikalismus. Und zwar in beiden deutschen Landesteilen – die Unzufriedenheit mit dem herrschenden Establishment ist überall vorhanden, nur im Osten ist sie eben stärker.
Merz steht also vor der Wahl: entweder den Kurs des Verbots der AfD fortzusetzen oder die Versuche ihrer Isolierung schrittweise zu beenden. Im ersten Fall ist das Szenario klar: Die AfD würde weiter verteufelt, die "Demokratiegefährdung" würde die Wähler verängstigen, und ein paar Monate vor der nächsten Wahl würde sie einfach verboten werden. Warum nur ein paar Monate? Damit die Partei keine Zeit hat, unter einem neuen Parteinamen wiederaufzuleben und an den Wahlen teilzunehmen. Die Risiken eines solchen Szenarios liegen auf der Hand: Ein Verbot der "Partei Nummer eins" würde die Debatte über die einzigartige Demokratie in Deutschland beenden und zu einem politischen Schock in den ostdeutschen Bundesländern führen. Und vor allem: Es würde zu keinem langfristigen Ergebnis führen.
Denn die verbotene AfD wird zunächst durch die Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht" (die zwar als linksorientiert gilt, aber ebenso skeptisch gegenüber Migranten, der Konfrontation mit Russland und der EU ist) und dann durch eine neue Version der "Alternative" ersetzt. Obwohl die neue AfD radikaler sein würde, würde sie schnell an Popularität gewinnen und wieder in den Bundestag einziehen. Man kann zwar eine Partei verbieten, aber nicht die Ideen, für die die AfD steht. Und das Vertrauen in das Establishment lässt sich damit nicht wiederherstellen, sondern im Gegenteil: Es kann für immer unterminiert werden.
Ja, auch wenn jetzt – laut Meinungsumfragen – eine knappe Mehrheit der Deutschen für ein Verbot der AfD plädiert, ist dies nur die eine Hälfte der deutschen Gesellschaft. Deutschland ist gespalten, und ein Verbot der größten Oppositionspartei wird diese Spaltung noch vertiefen. Wenn zumindest ein Teil der derzeitigen Elite strategisch denken kann, würde es nicht in Richtung eines Verbots der AfD gehen, sondern in genau die entgegengesetzte Richtung: nämlich Versuche ihrer Isolierung zurückzuweisen.
Die sogenannte Brandmauer (das heißt das Verbot von Koalitionen mit der AfD) würde aufgehoben werden, und die Partei würde beginnen, in Regierungskoalitionen einzutreten – zunächst auf kommunaler und Landesebene und dann auf Bundesebene. Dies stellt den einzigen gangbaren Kurs dar, um nicht nur die deutsche Einheit, sondern auch das derzeitige deutsche Establishment in seinem Bestand zu erhalten, auch wenn es die Macht teilen und Kompromisse hinsichtlich seiner Prinzipien eingehen muss. Die von diesem Establishment so hartnäckig verteidigten Prinzipien sind jedoch nicht nur ausländischer, angelsächsischer Herkunft (und für die externe Kontrolle über Deutschland erforderlich), sondern verlieren auch in den westlichen Kernländern, wie etwa den USA, an Unterstützung.
Das heißt, die deutschen Eliten könnten sich irgendwann von zwei Seiten umzingelt sehen – von ihren eigenen Bürgern und von den US-amerikanischen Gönnern. Die Alternative zu diesem Szenario bleibt jedoch noch bestehen.
Übersetzt aus dem . Der Artikel ist am 6. Mai 2025 zuerst bei "RIA Nowosti" erschienen.
Quelle:
BfV-Gutachten zur AfD: Verfassungsfeinde? Herrschaften, schaut in den Spiegel!
2 Mai 2025
Man hat der deutschen Juristerei den Hegel gründlich ausgetrieben. Da rutschen alle Begriffe durcheinander: Wort und Tat, Gedanke und Handlung, Bevölkerung und Staatsvolk, überall, wo es knifflig wird, wo man klare Begriffe braucht, gibt es nur noch Pampe.
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Silke Willems (l.) und Sinan Selen (m.) mit Nancy Faeser - Quelle: © Henning Kaiser
Von Dagmar Henn
Das ist wirklich keine Überraschung, insbesondere nicht, nachdem die AfD in einer Reihe von Umfragen zur stärksten Partei in Deutschland wurde: Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) erklärt die gesamte Partei für "gesichert rechtsextremistisch".
Nein, natürlich gab es keine politische Beeinflussung; das ist nicht nötig, wenn eine Behörde, die dem Innenministerium untersteht, ein Gutachten ausarbeiten lässt. Jeder leitende Beamte weiß, wie man dafür sorgt, dass ein Gutachten dem entspricht, was man haben will. Man muss eben die Gutachter entsprechend auswählen. Bei einem Gutachten, das dann auch noch geheimgehalten wird, geht das besonders gut, da der erste Schritt der Überprüfung, nämlich der Blick auf die Liste der daran Mitwirkenden, von vorneherein verhindert wird. Wenn man eine scharfe Verurteilung des Fleischkonsums will, muss man nur den Hersteller von Kunstfleischprodukten als Gutachter engagieren.
Im Februar wurde ja bereits ein Gutachten geleakt, das vermutlich in großen Teilen mit dem identisch sein dürfte, das jetzt die Grundlage dieses Verdikts sein soll. Und es erwies sich als methodisch ausgesprochen fragwürdig. Aber allein die Gedankenkette, die jetzt als Begründung durch die Presse geistert, und für die die des Bundesamts für Verfassugungsschutz die Vorlage liefert, hat es in sich.
Wobei man sich, ganz nebenbei, fragen muss, was an der Universität Köln in den Rechtswissenschaften so schief gelaufen ist, dass zwei dort ausgebildete Volljuristen, Sinan Selen und Silke Willems, die als Vizepräsidenten des BfV diese Presseerklärung zu verantworten haben, nicht merken, welche groben logischen Sprünge sie allein in dieser kurzen Argumentation hinterlassen, und wie sehr insbesondere die Komplexe Menschenrechte und Staatsbürgerrechte verschwimmen.
Also nehmen wir einmal diese Erklärung als Teil fürs Ganze. Der Hauptvorwurf gegen die AfD lautet:
"Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar."
Dreist, ahistorisch, und juristisch völliger Unfug. Es gibt eine ganz einfache Kontrollfrage. Bis zum Jahr 2000 besaß Deutschland eines der rigidesten Staatsangehörigkeitsrechte weltweit; die Voraussetzung für die deutsche Staatsangehörigkeit war das "deutsche Blut". Wie ist dann die Zeit bis 2000 zu bewerten?
Ein Begriff, der übrigens im Vorlauf des ersten Weltkriegs im Jahr 1913 hineingeraten war, als der Reichstag aus den zuvor noch immer bestehenden Staatsbürgerschaften der deutschen Länder eine gesamtdeutsche Staatsbürgerschaft machte (davor musste man erst Bayer oder Hamburger sein, um abgeleitet davon als Deutscher gesehen zu werden). Die damalige Reichstagsdebatte ist sehr aufschlussreich, aber man täuscht sich über ihre soziale Wirkung – die damaligen Arbeitsmigranten, Polen im Ruhrgebiet, zählten automatisch als Deutsche, weil eben die Hälfte des heutigen Polen damals Teil des deutschen Staatsgebiets war. Dieses magische Blut entstand also auf mysteriöse Weise exakt an dem Tag, an dem dieses neue Gesetz in Kraft trat.
Im Jahr 1977, im Zusammenhang mit der Reform des Familienrechts, wurde dann zumindest der Begriff dieses deutschen Bluts insofern gelockert, als dass auch Kinder einer deutschen Mutter mit einem ausländischen Vater einen Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft erhielten. Bis dahin war das "deutsche Blut" streng an das Y-Chromosom gebunden. Aber der Begriff selbst hielt sich bis ins Jahr 2000.
Dass damals Einbürgerungen deutlich erleichtert und auch doppelte Staatsangehörigkeiten zumindest begrenzt zugelassen wurden, war eine Reaktion auf ein massives Demokratieproblem, die mehrere Millionen Menschen umfassende Gruppe türkischstämmiger Einwanderer, die zum Teil bereits in der dritten Generation in Deutschland lebten, ohne die vollen politischen Rechte von Staatsbürgern zu haben. Das ist tatsächlich eine Demokratie-, keine Menschenrechtsfrage. Kern dabei ist eben jener Gedanke, der einmal die amerikanische Revolution auslöste: no taxation without representation; es ist nur über einen begrenzten Zeitraum möglich, Menschen zwar zur Zahlung von Steuern zu verpflichten, ihnen aber die politische Mitwirkung zu verweigern, wenn man den Anspruch erhebt, ein demokratischer Staat zu sein.
Nur, in diesem Zusammenhang gibt es eine Grenze. Kann ein Staat demokratisch funktionieren, wenn man beispielsweise allen zufällig an einem Wahltag Anwesenden das Wahlrecht erteilte? Wo bleibt da die nötige informierte Zustimmung? Wo bleibt der Zusammenhang zwischen den auferlegten Pflichten und den Rechten?
Ich hatte damals in meinem Kommentar zu jenem veröffentlichten Gutachten angemerkt, dass das alles völlig absurd wird, sobald man eine Vorstellung wie Wehrpflicht ins Spiel bringt. Denn wenn es keine explizit den Staatsbürgern vorbehaltenen Rechte mehr gibt, kann es auch keine explizit ihnen auferlegten Pflichten mehr geben.
Aber zurück zum obigen Satz. Die ganzen Ausführungen zur Entwicklung des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts sollten vor allem einem dienen: in Erinnerung zu rufen, dass das, was die Erklärung des BfV wie auch Innenministerin Faeser als verfassungsfeindlich verdammt, bis ins Jahr 2000 der (bundes)deutsche Rechtszustand war.
Nun ist es eine Sache, an diesem Punkt herzlich anderer Meinung zu sein, und ich würde jederzeit dazu stehen, dass diese Änderung damals ein nötiger Fortschritt war. Aber es ist etwas ganz anderes, die Position, die all die Jahrzehnte davor geltendes Recht war, nicht einfach für falsch, sondern für verfassungswidrig zu halten. Strenggenommen wäre dann das Rechtshandeln der Bundesrepublik über Jahrzehnte völlig im Gegensatz zum Grundgesetz gestanden, denn die Definition der Gruppe der Staatsbürger ist der Ausgangspunkt jeder demokratischen Legitimation.
Interessant ist auch, wie diese Erklärung weitergeht:
"Es zielt darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen. Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes."
Schwupp, schon hat der Begriffstausch stattgefunden. Bevölkerung umfasst alle zum gegebenen Zeitpunkt innerhalb definierter geografischer Grenzen lebenden Menschen. Es geht aber um die Frage, wer Bürger ist. Und jetzt kommt der große Witz: die aktuelle Version des Staatsangehörigkeitsgesetzes macht genau das, was hier der AfD vorgeworfen wird. Es gibt nämlich eine ganze Liste von Einschränkungen, nach denen Einbürgerungen verweigert oder gar bereits ausgesprochene Einbürgerungen wieder widerrufen werden können. Die entsprechenden Paragrafen finden sich in §32b StAG, unter ihnen viele gute Freunde wie §130 und §140 StGB.
Wenn etwas einen grundlegenden Ausschluss einer "bestimmten Minderheitsgruppe von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe" darstellt, dann, jemandem aufgrund einer missliebigen Meinungsäußerung die Einbürgerung zu verweigern oder sie rückgängig zu machen. Aber alles kein Problem. Es ist ja nur die AfD, die da böse diskrimiert. Deutsche palästinensischer Abstammung auszubürgern, sofern dies möglich ist, ist völlig in Ordnung, wenn sie einmal zu laut "from the river to the sea" gesagt haben.
Der entscheidende Punkt ist jedoch, das Staatsangehörigkeitsrecht macht genau dies, selbst wenn es nicht vom aktuellen politischen Irrsinn durchsetzt wäre. Es ist seine Funktion. Es teilt die Bevölkerung in Menschen mit Staatsbürgerschaft und solche ohne, und die Gruppe der Staatsbürger hat zusätzliche Rechte, wie Wahlrecht oder die Möglichkeit einer Beamtenkarriere, die die Gruppe der Nichtbürger nicht hat. Staatsangehörigkeit leitet sich eben nicht unmittelbar aus dem Menschenrecht ab, sondern bestenfalls vermittelt.
Wie man nun die Grenze zwischen Staatsbürgern und Nichtbürgern ziehen will, ist ein legitimer Gegenstand der politischen Debatte unter den Staatsbürgern. In dem Augenblick, in dem dieser Debatte grundsätzlich die Legitimation abgesprochen wird (und das ist der Fall, sobald eine denkbare Position für "verfassungswidrig" erklärt wird), wird der Rahmen der Rechte, der die Staatsbürger vor den Nichtbürgern auszeichnet, beschränkt, was andererseits logischerweise bedeutet, dass auch die Pflichten nicht mehr eingefordert werden können. Noch viel Spaß mit der Wehrpflicht, nebenbei!
Der Knackpunkt in diesem Satz ist also, dass es durchaus Bereiche gesellschaftlicher Teilhabe gibt, von der "bestimmte Bevölkerungsgruppen" ausgeschlossen werden. Kinder haben kein Wahlrecht und es wird ihnen kein Schnaps verkauft; das Stichwort zum Wahlrecht lautet hier wieder "informierte Entscheidung". Dass die US-Demokraten sogar Tote wählen ließen, ist da nicht wirklich vorbildhaft. Und, das ist der entscheidende Punkt, die Teilung der Bevölkerung in Staatsbürger und Nichtbürger ist absolut verfassungskonform und in jedem, schlicht jedem einzelnen Land der Welt üblich.
Aber die Presseerklärung geht noch einen Schritt weiter:
"Insbesondere die fortlaufende Agitation gegen Geflüchtete beziehungsweise Migrantinnen und Migranten befördert die Verbreitung und Vertiefung von Vorurteilen, Ressentiments und Ängsten gegenüber diesem Personenkreis."
Selbst das Wort "Geflüchtete" (der Konformitätsbegriff, durch den man das Wort Flüchtling ersetzen muss, um Folgsamkeit zu beweisen) beinhaltet noch die Idee eines vorübergehenden Aufenthalts. Ein Aufenthalt, dessen Zweck der Schutz vor Gefahr ist, ein Zweck, der in sich bereits beinhaltet, zu entfallen, sobald die Gefahr entfallen ist.
Wenn man zurückgeht ins Jahr 2015, als Merkel die Tore öffnete, begann zu diesem Zeitpunkt bereits eine starke Überzeichnung der politischen Konfrontation. Nüchtern betrachtet ist der Kern des humanitären Gebots, Schutz zu gewähren, aber nicht, den Geschützten zu lieben oder unkritisch zu betrachten. Und es war von vorneherein einer der wunden Punkte der ganzen Willkommenskultur, dass weit überwiegend junge Männer kamen und kommen. Und junge Männer sind von allen denkbaren Personengruppen innerhalb einer Bevölkerung nun einmal eher diejenigen, vor denen man geschützt werden will oder, im guten Fall, jene, die Schutz bieten, aber nicht jene, denen Schutz gewährt werden muss.
Auch Herr Sinan Selen kennt die Kriminalstatistik. Und vielleicht auch ein wenig die psychologischen Hintergründe, warum junge Männer in allen Kulturen durch sogenanntes "risikosuchendes Verhalten" bekannt sind und im Grunde überall darauf geachtet wird, sie durch die Älteren unter Kontrolle zu halten, bis sich dieses Verhalten "auswächst". Was es bei den meisten tut, wenn sie in die Familienphase kommen und Verantwortung tragen müssen. Was aber bei jungen Männern, die keinerlei materielle Perspektive haben, in einer völlig fremden Umgebung leben und äußerst geringe Aussichten haben, in diese Familienphase einzutreten, in deren Umgebung vor allem auch die von ihnen respektierten Älteren völlig fehlen, eben nicht funktioniert und am Ende für alle Beteiligten zu höchst unangenehmen Entwicklungen führt.
Was sich auf verschiedene Weise bearbeiten lässt. Durch die Schaffung einer materiellen Perspektive, beispielsweise. Grade schwierig, wenn Wohnungsnot herrscht und die deutsche Industrie langsam kollabiert. Oder durch rigide Kontrolle. Was ebenfalls nicht funktioniert, wenn die Gerichte allzu sehr mit Eiteitei beschäftigt sind und übersehen, dass bei genauer Betrachtung sich auch bei einheimischen Tätern Traumata entdecken ließen, die nicht ohne sind, und es kaum eine Gewalttat gibt, die nicht in einer langen Vorgeschichte wurzelt. Und was weniger Probleme hinterließe, wäre das Bewusstsein über die komplizierte Beziehung zwischen Recht und Gerechtigkeit, zwischen Schutzanspruch der Gesamtheit und dem Anspruch des Einzelnen auf Würdigung der Umstände klarer ausgeprägt. Aber das mit der Gesamtheit, das geht gerade unter.
Nur, es ist wie mit der eigenartigen Vorstellung, das Lügen verbieten zu wollen, und dieser ganzen bizarren Verwischung der Grenze zwischen Wort und Tat: Das Menschenrecht schreibt mir nicht vor, mein Gegenüber zu lieben. Es verbietet mir auch nicht, es zu hassen. In dem Moment, in dem es, und dieser Ton schwingt mit in dieser Erklärung, zur Pflicht erklärt wird, bestimmte Gruppen von Menschen nicht abzulehnen, gehen alle gleichermaßen ihrer Menschenwürde verloren. Denn es ist ein essenzieller Teil meiner Würde, zu fühlen was ich fühle; die Gesellschaft und damit das Recht haben erst etwas damit zu tun, wenn ich handle.
Aber selbst die vehemente Äußerung eines Vorurteils ist keine Handlung, sondern eine Aussage. So, wie die übertriebene Reaktion vieler Politiker auf negative Reaktionen eine Folge eines überhöhten Bedürfnisses ist, geliebt zu werden, und dann gekränkt zu reagieren, wenn diese Liebe nicht zu haben ist. Diese Mischung aus Narzissmus und Minderwertigkeitskomplex hat in Deutschland inzwischen die Gestalt strafrechtlicher Verfolgung angenommen.
In der wörtlichen Aussage der beiden Helden vom Verfassungsschutz findet sich diese völlige Begriffsdurchmischung noch einmal:
"Maßgeblich für unsere Bewertung ist das die AfD prägende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis, das ganze Bevölkerungsgruppen in Deutschland abwertet und in ihrer Menschenwürde verletzt."
Das Volksverständnis – da reden wir von Staatsbürgerschaft und staatsbürgerlichen Rechten. "Bevölkerungsgruppen in Deutschland", das bezieht sich auf die Gesamtheit, Bürger und Nichtbürger. Eine Diskussion darüber, wo die Grenze zwischen beiden verläuft, ist legitimer Teil der politischen Auseinandersetzung, und daraus eine Verfassungswidrigkeit zu konstruieren, tangiert die Demokratie in Deutschland weit über die unmittelbar Betroffenen hinaus.
Weil die grundlegende Definition, wer zur Gruppe jener Menschen gehört, denen die deutschen Politiker ihrem Amtseid nach verpflichtet sind, jener Menschen, von denen nach dem Grundgesetz die Staatsgewalt ausgeht (nämlich vom Volk, nicht der Bevölkerung), Gegenstand einer offenen Debatte sein muss. Gleich, welche Position man selbst in dieser Frage vertritt, weil es auf keinen Fall die jeweilige Koalition oder gar die Verwaltung sein darf, die darüber befinden.
Über die Zusammensetzung des Souveräns kann nur der Souverän entscheiden, oder er ist nicht mehr der Souverän. Schwierig genug, dass das Grundgesetz selbst an diesem Punkt Änderungen ohne Volksentscheid zulässt. Aber genau in dieser Frage darf es keinesfalls geschehen, dass vorab bereits bestimmte Positionen verboten werden; das genau ist es aber, was diese Begründung einer Verfassungsfeindlichkeit (die ohnehin funktional nur als Vorspiel zu einem Verbot gedacht ist) tut. Hier stellt sich die dem Innenministerium untergeordnete Behörde Verfassungsschutz über den Souverän selbst, indem sie ihn in seinem ursprünglichsten Recht zu beschneiden sucht. Die Kölner Herrschaften müssen nicht weit laufen, um Verfassungsfeinde zu sehen. Ein Spiegel genügt.
Quelle:
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"Wenn Unrecht Gesetz wird,wird Rebellion Pflicht."
Der Klartexter
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